Donnerstag, 19. Mai 2016

»Die Zensoren: Wie staatliche Kontrolle die Literatur beeinflusst hat« von Robert Darnton

Darstellung der höfischen Unterwerfung

Viele Bücher hätten wohl anders ausgesehen,
wären sie nicht der Zensur zum Opfer gefallen.


Die Zensur hat in Europa eine lange Tradition - wie hier in einer Darstellung der höfischen Unterwerfung, gegen die Karl Kraus mit seiner Zeitschrift „Fackel“ kämpfte. Zensur hat im Laufe der Kulturgeschichte ganz unterschiedlich funktioniert und dabei ganz verschiedenen zensorischen Zwecken gedient. Zeit also, eine interessante Kulturgeschichte der Zensur zu schreiben.

»Die Zensoren: Wie staatliche Kontrolle die Literatur beeinflusst hat« von Robert Darnton liefert ein faszinierendes Stück Kulturgeschichte der Zensur. Der amerikanische Historiker Robert Darnton zeigt auf, nach welchen Mechanismen die Kontrolle von Literatur funktioniert hat und wer dahinter steckte.


Der Zensor als systemtreuer, ignoranter Bürokrat, der einem autoritären, repressiven Staat dient und der Literatur erheblichen Schaden zufügt – dies ist das gängige Bild. Dass es jedoch viel zu kurz greift, beweist Robert Darnton in seiner fesselnden, glänzend recherchierten Darstellung. Der renommierte US-Historiker zeigt, nach welchen Mechanismen die Kontrolle von Literatur funktioniert hat und wer die Menschen waren, die dahinter steckten.

„Zensur und Preßfreiheit werden immerfort miteinander kämpfen. Zensur fordert und übt der Mächtige, Preßfreiheit verlangt der Mindere. Jener will weder in seinen Planen noch seiner Tätigkeit durch vorlautes, widersprechendes Wesen gehindert, sondern gehorcht sein; dieser möchte seine Gründe aussprechen, den Ungehorsam zu legitimieren. Dieses wird man überall geltend finden.“

Johann Wolfgang von Goethe

Zensur ist die Schere im Kopf, die nach bestimmten Regeln funktioniert. Um sich dem Phänomen der Zensur zu nähern, blickt Robert Darnton auf unterschiedliche Zeiten und unterschiedliche Orte: das vorrevolutionäre Frankreich, Indien zur Zeit der Kolonialherrschaft und das DDR-Regime und stellt fest, daß die Zensur ganz unterschiedliche Bedeutung hat. Die Bedeutung der Zensur hängt dabei von gesellschaftlichen Kontext ab.

Manche Zensoren haben durch
ihre Zensur selbst Literatur geschrieben.


Im Mittelpunkt seiner Studie steht die Person des Zensors, seine Arbeit, sein Selbstverständnis, seine Beziehung zu Autoren, Verlegern und Buchhändlern. Dass der Zensor dem Literaturbetrieb nicht notwendigerweise schaden wollte, sondern sich bei aller Staatstreue auch als sein Unterstützer begriff, ist nur eine der überraschenden Erkenntnisse. So entsteht auf Grundlage exklusiven Quellenmaterials ein ungewöhnliches, facettenreiches Stück Kulturgeschichte – von einem der renommiertesten Historiker unserer Zeit.

Die Zensoren: Wie staatliche Kontrolle die Literatur beeinflusst hat
Die Zensoren: Wie staatliche Kontrolle die Literatur beeinflusst hat



"Robert Darntons provokant-erhellende Studie
stellt auf der Grundlage intensiver Archivarbeiten
viele gängige Vorurteile infrage."

NZZ


Zensur hat in unterschiedlichen Zeiten ganz unterschiedlich gewirkt. Im vorrevolutionären Frankreich war Zensur gar nicht einmal negativ konnotiert, sondern diente sogar der Förderung und Verbesserung der Literatur.

Wie haben Zensoren zu unterschiedlichen Zeiten gearbeitet? - Zwischen der Zeit der Bourbonen in Frankreich, Britisch-Indien und den Jahren der DDR sind Jahrhunderte vergangen, aber es ist doch erstaunlich, dass sich im Vorgehen der Zensoren "bestimmte Muster im Denken und Handeln" oft sehr ähneln. Sie alle waren Werkzeuge politisch Mächtiger und griffen dort ein, wo der Macht Gefahr drohte oder auch dort wo lediglich das Gefühl von Bedrohung in der Luft lag.

Drei autoritäre Systeme betrachtet amerikanische Historiker sehr eingehend. Im dritten Teil wird die ehemalige DDR gleich zu Beginn als "Das Kommunistische Ostdeutschland" bezeichnet. Das ist so nicht richtig, denn es gab bislang keinen kommunistischen Staat auf dieser Erde. Wichtigstes Erkennungsmerkmal des Kommunismus ist die klassenlose Gesellschaft und die hat es weder in der DDR noch beim großen roten Bruder Sowjetunion je gegeben.

Dennoch ist dieser dritte Teil, in dem es um Zensoren im System DDR geht, der wohl interessanteste. Der Autor hat sich auf den Weg gemacht. Gleich nach Mauerfall war er vor Ort und hat ehemalige Zensoren getroffen. Er hat mit ihnen gesprochen, lies sich das einst so mächtige Schnüffelsystem erklären und dabei wurde schnell klar, Zensoren bestimmten nicht nur über drucken oder eben nicht drucken, sie waren oftmals auch im direkten Kontakt mit Autoren. Beispiele werden gebracht, wie DDR-Zensoren sehr direkt in das Leben von Autoren eingegriffen haben.

Wie weit ging nun die Zensur im real existierenden Sozialismus? - Gab es gar eine Zusammenarbeit mit Lektoren der Verlage oder gab es gar Autoren, die sich selbst ihrer Freiheit beraubten? All diesen wichtigen Fragen geht Robert Darnton nicht aus dem Weg.

Dieses Buch beschreibt - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - Zustände und Praktiken der Zensur aus fernen Tagen. Ungewollt ist es in diesen Tagen aber auch aktuell, denn Zensur ist heute nicht nur in autoritär geführten Ländern wieder auf dem Vormarsch.

Darnton macht den großen Unterschied zwischen Literatur autoritärer Systeme und Demokratien sehr deutlich! Ein faszinierendes Stück Kulturgeschichte über den Zensor, deinen Freund und Überwacher. - Was bleibt wohl nach all der Zensur: Meine Feder ist meine Freiheit.

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Die Zensoren: Wie staatliche Kontrolle die Literatur beeinflusst hat
Die Zensoren: Wie staatliche Kontrolle die Literatur beeinflusst hat
von Robert Darnton

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