Samstag, 23. Mai 2015

»Vater« von Miljenko Jergović

Vater
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Miljenko Jergović gehört zu den großen und bedeutendsten Erzählern Osteuropas. Zu seinen bekanntesten Werken gehören »Das Walnusshaus«, »Sarajewo Malboro« und »Freelander«. Jergović erzählt seine Geschichten in den Farben und Schattierungen des Balkans. Auf staunenswerte Weise gelingt es ihm in seinen Büchern, Schicksale von Einzelnen als Teil ihrer Gesellschaft zu schildern.

Miljenko Jergović, geboren 1966 in Sarajevo, lebt in Zagreb. Er arbeitet als Schriftsteller und politischer Kolumnist und ist einer der großen europäischen Gegenwartsautoren. Seine Bücher sind in zahlreiche Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet worden.

Zu seinem Vater hatte der bosnische Schriftsteller zu Lebzeiten kaum Kontakt. Grund nun für eine literrarische Annäherung: In seinem Buch nähert er sich ihm an, sarkastisch, scharfsinnig und spannungsreich. Sein neuer Roman »Vater« ist eine literarische Annäherung an seinen Vater.



"Wir standen uns nicht nah,
obwohl es immer hieß,
ich sei ganz der Vater."


Das letzte Telefonat zwischen Vater und Sohn löst eine Flut von Erinnerungen aus: In seinem neuen Buch taucht Miljenko Jergović in die Abgründe seiner eigenen Familie ein und beleuchtet die tragischen Verwicklungen seiner Heimat. Er schildert seine Seelenlage und Beziehung zu seinem Vater. Er beschreibt den Lebensweg seines Vaters, eines angesehenen Arztes und Experten für Leukämie, dessen Einsatz für die ländliche Bevölkerung und politische Haltung. Zugleich bezieht er kritisch Stellung zur kroatischen Geschichte und dem Umgang mit der faschistischen Vergangenheit.

Sein autobiografisch gefärbter Roman »Vater« lässt sarkastisch, scharfsinnig und spannungsreich komponiert Pantoffeln, Alkoholgeschenke und Wäschereigerüche als Bestandteile der Identität sprechen. Jergović rückt der zu Lebzeiten ferne Vater zunehmend näher, denn die Ähnlichkeit zwischen ihnen ist groß. Oft münden die Erinnerungen, mit deren wechselnden Tonlagen die Übersetzerin Brigitte Döbert innig vertraut wirkt, in harte, apodiktische Sätze.

Da wühlt einer tief in den eigenen Wunden, auch und gerade dann, wenn er sich eine deutsch anmutende Neukonzeption der kroatischen Nation wünscht, die kollektive Verantwortung für den Völkermord an Serben, Juden und Roma übernehmen solle, statt die Kroaten unter Hinweis auf die Taten der Nachbarn rein zu waschen.

Wie schon im multikulturellen, multiethnischen Sarajevo der Vorkriegszeit ist auch im Zagreb der Gegenwart eine gefährdete Zugehörigkeit die Voraussetzung des Jergovićschen Schreibens – in der Emigration wäre er kein Schriftsteller. Miljenko Jergović schreibt, um das nicht Sagbare auszudrücken und zu verstehen. Etwa, dass eine Mutter ihren todkranken Sohn leiden lässt, weil er Gott und Vaterland verraten habe.

Der Roman ist eine Mischung aus Erzählung, politischem Essay und Autobiografie. Eine Erzählung über seine Vorfahren und gleichzeiig ein Stück unbewältigte Vergangenheit. Der Vater-Essay ist der groß angelegte Versuch, das familiäre und das nationale Schweigen über den Krieg und die Verstrickung zur Sprache zu bringen.

Ohne Pathos, mit Witz und einer Portion Sarkasmus schildert Miljenko Jergović die jugoslawische Lebenswirklichkeit, die das Schicksal seines Vaters bestimmte und damit auch den Sohn prägte. Vater ist das literarische Dokument seiner Familie: Leidenschaftlich und pointiert erzählt er anhand ihrer Lebensstationen von den historischen Auseinandersetzungen auf dem Balkan und deren Auswirkungen bis heute.

»Vater« ist ein großartige Erzählung und zugleich ein Stück Weltliteratur. Mit seinem Werk trägt er zum Frieden und zur Friedenssicherung bei und ganz nebenei ist es ein süffiges Stück Weltliteratur.

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von Miljenko Jergović

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