Der 1839 Roman »Die Kartause von Parma« von Henri Stendhal - eigentlich Marie-Henry Beyle (1783-1842) - gilt als einer der ersten Werke des literarischen Realismus enthält aber freilich noch sehr starke Elemente der älteren romantischen Literaturrichtung.
Die Handlung spielt im wesentlichen im Oberitalien nach 1814/15 wo gerade die alte politische Ordnung vor 1789 bzw. 1796 ein letztes Mal restauriert wurde und dreht sich um die Abenteuer des Helden Fabrizio del Dongo, einem jungen Adligen aus einem alten lombardischen Adelsgeschlecht, der aufgrund seiner napoleonischen Gesinnung (Teilnahme an Napoleons letzter Schlacht bei Waterloo) aus dem wieder österreichisch gewordenen Mailänder Territorium, arrangiert von seiner liebreizenden Tante der Duchessa Sanseverina, nach dem ebenfalls restaurierten Herzogtum Parma, das der Hauptschauplatz des Romans werden soll, überwechseln muss.
Dort herrscht der wieder ans Ruder gekommene Herzog Ernesto IV. aus dem Hause Farnese (das in Wirklichkeit bereits 1731 ausgestorbenen war und durch eine bourbonische und ab 1814/15 einen habsburgische Sekundogenitur ersetzt wurde) und sein Premierminister Graf Mosca nach dem absolutistischen Vorbild Ludwig XIV.
Schließlich wird Fabrizio infolge einer höfischen Intrige der Gegenpartei Graf Moscas und der Sanseverina und der Rachsucht des Herzogs, nachdem er einen Totschlag aus Notwehr begangen hat, wegen Mordes zu einer mehrjährigen Festungshaft verurteilt, die er nachdem er schließlich gefasst wird auch antreten muss. Ausgerechnet in der Zitadelle von Parma trifft der Frauenheld Fabrizio (obwohl er eine geistliche Laufbahn eingeschlagen hat!) auf seine erste wirkliche Liebe in Person Clelia, der Tochter des Festungskommandeurs Graf Conti.
Es ist die Zeit um die Schlacht bei Waterloo, als sich Fabrizio del Dongo, ein junger italienischer Adliger (verkleidet und in cognito) aufmacht, um seinem Idol, Napoleon irgendwo irgendwie zu begegnen.
Daß dies nicht ohne Gefahr für ihn geschehen kann, dafür bürgt die damalige Zeit, als nämlich Österreich anno dazumal noch emsig das Zügel in Norditalien führte und wie.
Unser junger Held erreicht aber seinen angestrebten Ort, kann fast als Mitspieler dieser gewaltigen Schlacht fungieren, verliebt sich mehrmals (auch in seine schöne Tante Gina, wie auch umgekehrt), kommt aus allem irgendwie ganz gut raus und beginnt nun in der Heimat Italien ein neues Leben als Cavalier der alten Schule einer langsam sterbenden Epoche, in der auch Casanova seine Zeit hatte. Er wird also, um es kurz zu machen, kirchlicher Würdenträger wie sein Uhrahn vorzeiten.
Wieder Liebe und Gegenliebe, wieder Tragisches, daß es nur so knistert und nebenher werden einem Intrigen, Politisches und dergleichen nahegebracht, daß es eine Wonne ist.
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Insgesamt ist der Roman ein typischer Vertreter der Literatur seiner Zeit und strotzt nur so von typischen romantisch-fantastischen Stilelementen wie schmachtender wahrer Liebe, amurösen Liebesintermezzi, höfischen Intrigen, nächtlichen Verschwörungen, Duellen, Giftkomplotten und Gefängnisausbrüchen, weist aber zugleich auch schon realistische Elemente im Handlungsverlauf, allen voran in der Schilderung der Teilnahme Fabrizios an der Schlacht von Waterloo die Tolstoi als Vorbild seiner Schlachtdarstellungen insbesondere in "Krieg und Frieden" als Vorbild gereichte.
Schlüsselemente seiner Handlung hat Stendhal aus tatsächlichen Vorkommnissen des Italiens des 15. und 16. Jahrhunderts geschickt in seinen Roman eingeflochten. Als Spiegelbild eines typischen kleinen Fürstenhofs nach 1815 würde ich den Roman freilich nicht sehen wollen, eher als überspitzte Karikatur auf die Fürstenherrlichkeit in Italien und auch im Deutschland früherer Jahrhunderte bis zur französischen Revolution, wenngleich es auch nach 1815 noch kleine Fürsten gab die glaubten die Narrenfreiheit innezuhaben.
Wer einen langen Atem hat und bei Regen oder Sonnenschein genug Zeit mitbringt, wird hier aufs Köstlichste unterhalten.
Dieses Werk ist ein ganz großer Roman mit Bildungspotential.
Literatur:
Die Kartause von Parma von Henri Stendhal
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