Diese beginnt im Zweiten Weltkrieg, als Walter Oehmichen, ein Schauspieler des Augsburger Stadttheaters, in der Gefangenschaft einen Puppenschnitzer kennenlernt und für die eigene Familie ein Marionettentheater baut. In der Bombennacht 1944 verbrennt es zu Schutt und Asche. »Herzfaden« erzählt von der Kraft der Fantasie in dunkler Zeit und von der Wiedergeburt dieses Theaters. Nach dem Krieg gibt Walters Tochter Hatü in der Augsburger Puppenkiste Waisenkindern wie dem Urmel und kleinen Helden wie Kalle Wirsch ein Gesicht.
Ein zwölfjähriges Mädchen gerät nach einer Vorstellung der »Augsburger Puppenkiste« durch eine verborgene Tür auf einen märchenhaften Dachboden, auf dem viele Freunde warten: die Prinzessin Li Si, Kater Mikesch, Lukas, der Lokomotivführer. Vor allem aber die Frau, die all diese Marionetten geschnitzt hat und nun ihre Geschichte erzählt. Da ist zunächst ein Mädchen, das vor dem eigenen Vater durch eine Tür flüchtet und dadurch auf einen Speicher gerät. Dort muss es feststellen, dass es auf Puppengröße geschrumpft ist. Das Mädchen findet sich in der Gegenwart ikonisch gewordener Figuren wie etwa dem Urmel oder dem König Kalle Wirsch wieder. Figuren, die das Mädchen trotz ihres jungen Alters immer noch kennt.
Inmitten der geschnitzten Puppen auf dem Speicher tritt eine große Frau auf, die dem Mädchen in der Folge ihre Lebensgeschichte erzählt. Es handelt sich bei der Frau um Hannelore, genannt Hatü, Marschall. Sie ist die Tochter Walter Oehmichens, der zusammen mit ihr das später so bekannte Oehmichens Marionettentheater gründen sollte und in dem sie zur Schöpferin all dieser Figuren wurde, die Hatür und das Mädchen nun umgeben.
Hatü erzählt dem Mädchen von der Entstehung des berühmten Puppentheaters, der Kindheit und dem Aufwachsen in einem weltkriegszerstörten Augsburg. Von den Pogromen, der Armut und dem Leid, das der Krieg mit sich brachte. Davon, wie ihr Vater als Spielleiter des Augsburger Staatstheater zunächst nicht entnazifiert wurde, wie die GIs Augsburg besetzten und wie die Oehmichens alles daran setzten, Ablenkung und Normalität zurück zu den Menschen zu bringen. Von all dem erzählt Hatü dem Mädchen auf dem Speicher, das schon bald dem Charme der Puppen erliegt – aber auch ihre Gefährlichkeit erfährt.
Als die "Augsburger Puppenkiste" am 26. Februar 1948 Premiere feierte, hatte sich Gründer Walter Oehmichen damit einen lang gehegten Traum erfüllt. Mit seinem abwechslungsreichen Programm entwickelte er das kleine Marionettentheater zu einem Erfolgsprojekt.
Die Erfolgsgeschichte begann mit dem Schauspielerpaar Rose und Walter Oehmichen, das sich in Düsseldorf kennengelernt hatte und wegen eines Bühnenengagements am Stadttheater nach Augsburg gekommen war. Bereits während des Zweiten Weltkrieges gab es einige Aufführungen mit einem Puppentheater. Doch ein großer Teil der Ausstattung wurde 1944 bei Bombenangriffen der Alliierten zerstört.
Nachdem er in seinem letzten Roman »Pfaueninsel« die Erzählperspektive eines kleinwüchsigen Schlossfräuleins wählte, setzt Hettche in seinem neuen Roman das Erzählen aus kleingeratener Sicht fort.
Im Kern steckt in dem Roman »Herzfaden« eine Frage: haben uns Figuren an Fäden, handgeschnitzt aus Holz und mimisch starr, heute noch etwas zu sagen? Heute, da die Ausdrucksmöglichkeiten der perfekt animierte Charaktere in Film und Fernsehen unerschöpflich scheinen, in der es scheinbar keine Grenzen der Darstellungskunst mehr gibt?
Literatur:
Herzfaden: Roman der Augsburger Puppenkiste von Thomas Hettche Weblink:
Die Augsburger Puppenkiste wird 70 - www.augsburger-puppenkiste.de
Blog-Artikel:
Die Augsburger Puppenkiste wird 70
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