Samstag, 22. August 2015

»Vor dem Sturm« von Jesmyn Ward

Vor dem Sturm
Vor dem Sturm

Jesmyn Ward, geb. 1977, wuchs in der Stadt DeLisle in Mississippi auf. Nach einem Literatur-Studium in Michigan war sie Stipendiatin in Stanford und Writer in Residence an der »University of Mississippi«. Sie lehrt derzeit Englische Literatur an der »Tulane University« in New Orleans. Ihr erster Roman »Vor dem Sturm«, eine literarische Verarbeiung des Wirbelsturms "Katrina", wurde mit dem »National Book Award« ausgezeichnet.

Jesmyn Ward

Ein Hurrikan braut sich über dem Mississippi-Delta zusammen. Esch und ihre drei Brüder sind Halbwaisen. Sie wohnen in einer Hütte am Rande des Waldes und kämpfen gemeinsam ums Überleben: Mit kleinen Diebstählen halten sie die Familie über Wasser. Als Esch merkt, dass sie schwanger ist, weiß sie nicht, wem sie sich anvertrauen kann.

Unterdessen wird das Wetter drückender und drückender, ein Sturm zieht auf. Trotz aller Widrigkeiten stehen die vier Geschwister unverbrüchlich zueinander. Nach dem dramatischen Unwetter sammelt die Familie ihre Kräfte, um einem neuen Tag ins Gesicht zu sehen. Es ist der Tag nach dem Wirbelstrum "Katrina".

Vor dem Sturm
Vor dem Sturm

Das Buch der Südstaaten-Autorin ist tief berührend. Es schildert das Leben einer Familie, wie sie in der Gegend von Louisiana häufiger vorkommt, aber von der man als Tourist normalerweise nichts wahrnimmt. Die Famiie ist sehr arm und kommt gerade so durch, bis der Sturm naht. Jetzt zeigt sich, wie stark der Zusammenhalt ist und wie der Kampf um das Überleben gemeistert wird.

Der Schreibstil der Autorin ist ungemein fesselnd. Schnörkellos, tiefgründig, direkt und sprachlich unglaublich gut an die Situationen angepasst. Sie erzählt die Geschichte aus Sicht der jungen Esch in der Ich-Perspektive und lässt somit einen wunderbaren tiefen Blick auf das Innerste ihrer Protagonistin zu. Sie erzählt aus dem schwierigen Leben in einem sehr armen Viertel im Süden der USA, in dem die Bevölkerung hauptsächlich Schwarz isz und konzentriert sich dort bewusst auf die Familie von Esch und deren Freunde bzw. Umfeld.

Die Autorin behandelt in der Südstaaten-Prosa die ganze Thematik unglaublich behutsam und doch sehr direkt und scheut sich auch nicht, dabei politisch aufzutreten und ihre Leser auf diverse Missstände hinzuweisen. Sie öffnet einen tiefen Blick auf die arme Seite der USA, die zwar zum Teil bekannt ist, aber den Leser doch wieder erschüttert zurücklässt. Der angekündigte Sturm, der drohende Hurricane, wird von der Familie anfänglich ignoriert. Nur Eschs Vater nimmt die Lage ernst, doch sein Hang zum Alkohol raubt ihm die Energie, sich ernsthafter darauf vorzubereiten. So fährt er seine Kinder herrisch an, das Haus zu sichern, Vorräte herbei zu schaffen und Wasser zu bunkern.

Doch noch herrscht die große "Ruhe vor dem Sturm". Die Kinder hängen ihren eigenen Sorgen und Bedürfnissen nach. Da sie ihre Mutter früh verloren haben, müssen sie sowieso schon viele Aufgaben erledigen und Verantwortung übernehmen für Dinge, für die sie eigentlich noch zu jung sind. Esch muss sich um ihren jüngsten Bruder Junior kümmern, Skeetah versorgt seine Pitbull-Hündin China, die Nachwuchs bekommt und Randall trainiert verbissen für seine Basketball-Karriere.

Esch führt heftigste innere Kämpfe mit sich durch. Beobachtet sie doch an einem Tag noch die Hündin China bei der Geburt ihrer Welpen, muss sie am nächsten Tag feststellen, dass sie selbst Schwanger ist! Eine Achterbahn der Gefühle macht sich breit - in ihr brodelt quasi ein eigener Sturm, braut sich ein eigener Gefühls-Hurricane zusammen.

Jeder der Kinder hat so seinen eigenen persönlichen Sturm zu bewältigen. Ihre Charaktere sind dabei sehr tiefgründig und facettenreich gezeichnet.

Kleine typische Dramen des Erwachsenwerdens spielen sich ab. Die junge unerwiderte Verliebtheit von Esch in Manny, der vermeintliche Vater ihres ungeborenen Kindes. Dieser distanziert sich sofort von ihr, als er von ihrer Schwangerschaft erfährt und kehrt zu seinem Mädchen zurück.


Literatur [ >> ]:

Vor dem Sturm
Vor dem Sturm
von Jesmyn Ward

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