»Die Leute von Seldwyla« ist ein zweiteiliger Novellenzyklus des Schweizer Dichters Gottfried Keller. Die ersten fünf Novellen, Teil I, schrieb Keller 1853–1855 in Berlin nieder; sie erschienen 1856 im Vieweg Verlag. Weitere fünf, Teil II, entstanden in mehreren Schüben zwischen 1860 und 1875, d. h. größtenteils während Kellers Amtszeit als Staatsschreiber in Zürich. Das gesamte Werk erschien 1873 bis 1875 in der Göschen’schen Verlagsbuchhandlung. Es umfasst zehn „Lebensbilder“ (so der Arbeitstitel während der Berliner Entstehungszeit), die durch einen gemeinsamen Schauplatz, die fiktive Schweizerstadt Seldwyla, zusammengehalten werden.
Der mehrere Schaffensperioden des Autors umspannende »Seldwyler Zyklus« vereinigt in teils heiteren, teils tragischen Erzählungen die zentralen Motive von Gottfried Kellers Prosa.
Seine Novellensammlung »Die Leute von Seldwyla« beinhaltet zehn Erzählungen über das Leben und die Eigenheiten der Leute in der Schweiz - mal tragisch, mal heiter, aber alle mit mehr oder weniger realem Hintergrund. Zeitlich sind die Geschichten zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert angesiedelt - sie bieten einen Einblick in die Verhaltens- und Denkweisen sowie in die Bräuche und Lebensweisen der damaligen Zeit.
Mit der imaginierten Stadt Seldwyl erschuf der begnadete Erzähler sich einen eigenen Erzählkosmos. Die Stadt Seldwyl ist nicht real, auch wenn mehrere Städte in der Schweiz den Anspruch erhoben, der Autor hätte ihnen dieses literarische Denkmal gesetzt. Interessante Lebensgeschichten, brillianter Schreibstil - durch die mittlerweile teilweise veraltete Wortwahl und nicht mehr gebräuchliche Redewendungen ist das Lesen des Werkes allerdings etwas anstrengend.
Seldwyla bedeutet nach der älteren Sprache einen wonnigen und sonnigen Ort, und so ist auch in der Tat die kleine Stadt dieses Namens gelegen irgendwo in der Schweiz. Sie steckt noch in den gleichen alten Ringmauern und Türmen wie vor dreihundert Jahren und ist also immer das gleiche Nest; die ursprüngliche tiefe Absicht dieser Anlage wird durch den Umstand erhärtet, daß die Gründer der Stadt dieselbe eine gute halbe Stunde von einem schiffbaren Flusse angepflanzt, zum deutlichen Zeichen, daß nichts daraus werden solle. Aber schön ist sie gelegen, mitten in grünen Bergen, die nach der Mittagseite zu offen sind, so daß wohl die Sonne herein kann, aber kein rauhes Lüftchen.
Die Stadt Seldwyl ist ein romantisches Idyll, doch der Schein trügt. Die scheinbare Idylle ist indes brüchig: Kleinbürgerliche Enge, Existenznöte und gestörte familiäre Verhältnisse - wiederkehrende Hauptmotive im OEuvre von Keller - bestimmen den Alltag der Seldwyler, die nichtsdestotrotz mit Sympathie und feiner Ironie als eine Ansammlung skurriler Aussenseiter geschildert werden.
Die Leute von Seldwyla
Trotz einhellig positiver Aufnahme bei Publikum und Kritik wurde der »Seldwyler Zyklus« erst nach seiner nur langsam fortschreitenden Vollendung 1873/74 zu Kellers bis dato größtem Erfolg bei der zeitgenössischen Leserschaft. "Kleider machen Leute!" Ein geflügeltes Wort, aber nur eine von 10 Kurzgeschichten/ Erzählungen in dem Band "Die Leute von Seldwyla". Auch wenn Gottfried Keller vor 150 Jahren gelebt und geschrieben hat, sollte man sich nicht scheuen, dieses Buch zu lesen, denn die Geschichten haben eine übersichtliche Länge, sind in sich abgeschlossen und ohne Ausnahme alle lesenswert.
Literatur:
Die Leute von Seldwyla von Gottfried Keller