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Samstag, 17. Oktober 2020

Goethes Mephistopheles

Mephistopheles

Mephistopheles ist ein vielgestaltiges Wesen. Einmal erscheint er als mondäner Höfling mit Wams und Feder, kostümiert sich sodann in der Studentenszene als der große Gelehrte, um desssen Gelehrsamkeit in einer wissenszynisch inspirierten Szene zu parodieren, um anschließend als eleganter Herrr und Magier aufzutreten der schlagfertig mit Kupplerinnen zu reden versteht und als Fechtmeister den Faust anleitet, wie man den lästig gewordenen Bruder der Geliebten ins Jenseits befördert.

Mephistopheles ist der Goethesche Theaterteufel, dessen Verwandlungskünste seltsame Blüten treiben. Er vermag den Menschen zu verwandeln.

Goethe

Der Teufel erfährt im »Faust« eine Verwandlung, denn er ist der erste nachchristliche Realist. Wo der Teufel den Mund aufmacht, um zu sagen, wie es in der Welt wirklich steht, werden die alte Metaphysik, die Theologie und die Feudalmoral hinweggefegt.

Goethes Mephistopheles ist trotz aller symbolischen Zugeständissen im Kern schon kein christlicher Teufel mehr, sondern eine nachchristliche Figur mit vorchristlichen Zügen.


Faust kommt abends nach dem Osterspaziergang in sein Studierzimmer. Der Pudel, der ihn und seinen Famulus Wagner umsprang, kommt auch mit herein. Faust beginnt die Bibel in sein geliebtes deutsch zu übersetzen. Der Pudel stört ihn dabei. Faust verweist den störenden Gesellen vor die Tür. Aber der bleibt, verwandelt sich in ein Nilpferd und zuletzt in einen Elefanten. Nebel steigt auf. Mephistopheles tritt daraus hervor.

Faust ist überrascht: Das also war des Pudels Kern! Auf Fausts Frage stellt sich Mephistopheles vor: sein eigentliches Element ist Verneinung, Sünde, Zerstörung, kurz das Böse. Allerdings sei es ihm bisher nicht gelungen, die Welt mit ihrer Tier- und Menschenbrut zu vernichten. Mephistopheles möchte gehen, aber der Drudenfuß - das Pentagramm - auf der Türschwelle hindert ihn daran, weil der eine Winkel offen ist. Der Pudel merkte nichts, aber der Teufel kann nicht hinaus. Faust freut sich, den Teufel gefangen zu haben: Den Teufel halte wer ihn hält! Er wird ihn nicht zum zweitenmale fangen.

Faust lässt sich überreden, dass Mephistopheles ihm zum Zeitvertreib seine Künste vorführt. Mephistopheles ruft die Geister herbei. Die schönen Bilder, die sie ihm vorgaukeln, lassen Faust allmählich einschlafen. Mephistopheles ruft eine Ratte herbei, die auf seinen Befehl die Spitze des Pentagramms, die ihn bannte, zerbeißt. Mephistopheles verschwindet. Faust erwacht und fühlt sich abermals betrogen

Mephistopheles ist ein fluoreszierendes Wesen, das ganz in seinen Wandlungen lebt. Er entsteigt einem Hund. Sloterdijk, S. 331 f.

Der Witz des Goetheschen Theaterteufels liegt in seiner Modernisierung zum weltgewandten Grandseigneur - eine Tendenz, die sich noch bei Thomas Mann fortsetzt.

Nicht zufällig hat Faust, vom 16. bis zum 19. Jahrhundert der Inbegriff des modernen Forschers, mit einem derartigen Teufel den Pakt geschlossen.


Die immer währende Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse hat bis heute nicht ihren Reiz verloren. Immer wieder ist der Mensch Versuchungen ausgesetzt und muss zwischen Kopf und Bauch abwägen.

Literatur:

Faust - Der Tragödie erster Teil
Faust - Der Tragödie erster Teil
von Johann Wolfgang von Goethe

Samstag, 19. September 2020

»Oblomov« von Iwan Gontscharow

Oblomow
Oblomov

»Oblomov« ist ein Roman von Iwan Gontscharow.

Der russische Gutsbesitzer Oblomow verlässt nur ungern seine Liegestatt. Dort empfängt er seine Besucher, dort verbringt er den Tag, dort schmiedet er große Pläne, die er aber nie umsetzt. Der Schlafrock ist sein liebstes Kleidungsstück. Im Nichtstun sieht er seinen Lebensinhalt. Seit 12 Jahren wohnt er bereits in St. Petersburg, seit dem hat er sein Gut nicht mehr besucht. Weil er sich nicht kümmert und weil er bis an die Grenzen des Erträglichen ausgenutzt wird, fallen die Erträge jährlich geringer aus.

Seine Freunde sind, bis auf eine Ausnahme, Schmarotzer, die ihm die Zeit und vor allem sein Geld stehlen. Auch sein Diener Sachar ist Nutznießer von Oblomows Desinteresse und Gleichgültigkeit. Einzig sein Freund aus der Jugendzeit, Andrej Karlowitsch Stolz, schafft es, ihn aus seiner Lethargie herauszureißen. Ist er da, was auch in Oblomows Augen viel zu selten geschieht, verlässt er seine Ruhestätte, er rafft sich auf, die vom Freund empfohlenen Bücher zu lesen und zeigt Interesse an seiner Umwelt. Stolz gelingt es auch, Oblomow mit Olga bekanntzumachen.

Für kurze Zeit kann Oblomow über seinen Schatten springen und die Liebe genießen. Jedoch lassen ihn Selbstzweifel und Unentschlossenheit diese Beziehung beenden und er fällt in stärker denn je in alte Verhaltensmuster zurück.


Ilja Oblomow ist wohl der faulste, trägste, unentschlossenste und apathischste Romanheld der Literatur, aber er ist ein auf seine Art ein liebenswerter Protagonist. Der Begriff der "Oblomowerei" für die Langeweile und den Müßiggang hat auch in den deutschen Wortschatz Einzug gehalten. Als Abkömmling des russischen Landadels steht Oblomow für das feudalistische Althergebrachte, sein Gegenspieler im Roman ist der deutschstämmige Kaufmann Stolz, der den Aufbruch in die neue Zeit verkörpert.

Da Gontscharow seinen Roman logisch und intelligent aufgebaut hat, ist das Ende zwar vorhersehbar, aber nicht in der Vielzahl seiner Details. Hat mir der Roman in seinen ersten drei Teilen schon gut gefallen, war der Schlussteil sozusagen die Krönung für mich.



Zu Beginn des Buches stellte ich mir immer wieder die Frage, wie man so wie unser Held werden kann. Die Beantwortung folgt in "Oblomows Traum", welcher als Erzählung bereits 1848 veröffentlicht wurde. Mit seinem Protagonisten provoziert Gontscharow gekonnt, seine feine Ironie macht das Buch zu etwas Besonderem. Hervorheben möchte ich die wunderbare Charakterisierung der in der Handlung vorkommenden Personen. Alle sind sie fein gezeichnete Individuen, die beim Lesen zum Leben erweckt werden.

Heute, 150 Jahre nach seinem Erscheinen, hat dieser Roman eine ungeheure Aktualität erlangt - allerdings genau als Negation dessen, was Gontscharow aussagen wollte. In der heutigen Zeit mit ihrer Hektik, dem Hetzen von einem Termin zum anderen, dem Zeigen des aktiven Lebens, ist ein wenig Oblomowerei sicher ein gesunder Gegenpol zum geschäftigen Alltagsleben.


Iwan Gontscharow ist der Schöpfer eines Werkes, das sprichwörtlich geworden ist.

Iwan Gontscharow wurde, während er als Beamter im russischen Staatsdienst arbeitete, zum Schriftsteller eines ergreifenden, einfühlsamen Werkes, das die leidenschaftliche, aber letzendlich unglückliche Liebe zwischen Ilja Iljitsch und der etwas jüngeren Olga Sergejewna zum Thema hat. Mit liebevollem Humor erzählt der Autor vom letzten Lebensjahrzehnt des Adligen Oblomow, der in St. Petersburg mit Dienerschaft wohnt, aus dem Beamtendienst ausgeschieden ist und der kaum aus seinem Bett herauskommt, es sei denn zu gutem Essen.

Wie unter einem Vergrößerungsglas präsentiert Gontscharow in Oblomows Traum die einfache dörfliche russische Welt von Oblomowka, dem weit von Petersburg entfernten Herkunftsort des Haupthelden, mit seinen Personen, Geschäften und Speisen, mit seinen Gewohnheiten, seinen Nachlässigkeiten und seinem Aberglauben. Ilja Iljitsch Oblomow, der Gnädige Herr, dessen behütete Kindheit als Gutsbesitzersproß keine Fähigkeit zum Kampf in seiner Seele erzeugt hat, keine Fähigkeit zur Ausdauer, hat dafür einen umso sanfteren, klareren und genügsameren Charakter - eine Schwäche, die von manchem Spitzbuben unter seinen angeblichen Freunden raffiniert ausgenutzt wird.

Auf der anderen Seite steht sein echter Freund aus Kindertagen, Andrej Stolz, väterlicherseits Deutscher, ein vielbeschäftigter Geschäftsmann, der aus ganz anderem Holz geschnitzt ist, und der ein ums andere Mal Ilja aus der Not helfen will, meistens aber an der Trägheit Oblomows scheitert. Olga Sergejewna verbindet die beiden Haupthelden. Stolz, ihr Freund und Ratgeber, macht sie mit dem träge dahinsiechenden Ruheständler bekannt, und der schüchterne Oblomow wird für sie zur ersten großen Herausforderung ihres Lebens. Sein einsames Herz fängt sofort Feuer bei Olga, und auch bei ihr selbst zeigen sich die Symptome des Herzwehs, nachdem sie beobachtete, wie sehr sich ihr Objekt der Neugier und der Beschäftigung zum Subjekt einer, wenn auch unbeständigen Leidenschaft entwickelte.

Doch Ilja Iljitsch hat zuviel Angst vor dem Gerede der Leute, ist zu träge seiner Verantwortung für sein Gut nachzukommen, wird finanziell betrogen; kurz, er hat Angst vor der Zukunft mit Olga, die diesen unsicheren Weg mit ihm schließlich unter Qualen nicht mehr mitgehen kann. Olga erkrankt und wird gerettet von Stolz. Oblomow erkrankt auch und wird gerettet von einer treusorgenden Haushälterin, die für ihn näht und kocht, ihm jeden Wunsch von den Augen abliest, und die langsam, obwohl es ihr selber unbewußt bleibt, liebende Gefühle für den Gnädigen Herrn entwickelt. So ersteht für Oblomow wieder sein geliebtes Oblomowka im Kleinen, in einem heruntergekommenen Haus auf der Wyborger Seite der Newa.

Weitere Personen dieses kleinen St. Petersburger Kaleidoskops sind der griesgrämige Diener Sachar, die schlaue Köchin Anisja, der betrügerische Iwan Matwejew sowie sein Komplize, der ungehobelte, aber gerissene Tarantjew, der nur am Geld Oblomows interessiert ist. Mit seiner psychologischen Tiefe und Seelendeutung, mit seiner sprachlichen Brillanz und Bilderschau, mit seiner gesellschaftlichen Stellungnahme sowie weisen Einsichten in Liebe, Ehe und Familie ist Gontscharows Roman "Oblomow" ein Meilenstein in der Russischen Literatur.

Literatur [ >> ]:

Oblomow
Oblomov
von Iwan Gontscharow

Oblomow
Oblomov
von Iwan Gontscharow

Sonntag, 16. August 2020

75 Jahre Satire-Roman »Farm der Tiere«

Farm der Tiere


Am 16. August 1945 vor 75 Jahren veröffentlichte George Orwell den als Satire geschriebenen Roman »Farm der Tiere« (»Animal Farm«). Der Abrechnungsroman »Farm der Tiere« ist heute ein moderner Klassiker.

George Orwell hat mit der 1945 veröffentlichten Fabel »Farm der Tiere: Ein Märchen« eine ausgesprochen unterhaltsame Persiflage auf den Sowjetkommunismus geschaffen. Auch knapp 70 Jahre nach seinem Entstehen zählt dieses Werk zu den eindrücklichsten Beschreibungen der Transformation der Sowjetunion von der Oktoberrevolution 1917 bis zum Hitler-Stalin-Pakt des Jahres 1939.

Zu Beginn des Romans vertreiben die unterdrückten Tiere den Bauern vom Hof und übernehmen selber die Macht. Sie genießen ihre neue Freiheit und geben sich eine Verfassung, die mit den Worten »Alle Tiere sind gleich« beginnt.


Auf der Herren-Farm ist es nicht zum Besten bestellt und bei den Tieren herrscht große Unzufriedenheit: Sie werden von dem Farmer ausgebeutet und geschlachtet. Das wollen die Tiere nicht länger hinnehmen und planen unter der Führung der intelligenten Schweine die Revolution: Sie vertreiben den Farmer und gründen einen Staat: "Farm der Tiere". Dieser Staat hat fünf Gesetze, die dafür sorgen sollen, dass keine Tier benachteiligt wird oder jemals mit Menschen zu tun haben soll.

Der "Revolutionsführer" Napoleon ist ein Schwein, welches zunächst diese positiven Regeln propagiert. Doch nach einiger Zeit wächst die Macht von Napoleon und er errichtet eine Diktatur. Hunde sind seine Leibgarde, Tauben seine Spione, Schafe seine dummen Gefolgsleute und Schwatzwutz - ebenfalls ein Schwein - sein Propagandist. Die freiheitlichen Gesetze werden nach und nach geändert und außer Kraft gesetzt. Die freiheitliche Hymne wird verboten. Wer nicht für Napoleon ist, ist gegen ihn. Und so kommt es, dass Napoleon mit den benachbarten Farmern paktiert, selbst wie ein Mensch wird und alle Tiere der Herren-Farm ausbeutet. Es hat sich nichts geändert.

Die Utopie der Tiere wandelt sich jedoch in ein despotisches Regime, als die Schweine die Macht auf dem Hofan sich reißen und die anderen Tiere unterdrücken.

Farm der Tiere

Der dystopische Abrechnungsroman beschreibt das Scheitern der russischen Revolution durch den Verrat des Stalinismus an den sozialistischen Idealen. Das Werk ist eine düstere Parabel auf den Sozialismus stalinistischer Prägung und war eine Abrechnung des überzeugten Sozialisten mit der Machtübernahme der totalitären Bolschewisten in der Sowjetunion.


Der Roman ist in Form eines Märchens geschrieben, welche eine Anthropologie enthält: »Lebt im Einklang mit der Natur, behandelt andere so, wie auch ihr behandelt werden möchtet und denkt immer daran, daß auch Tiere haben eine Seele. «

Literatur:

Farm der Tiere
Farm der Tiere: Ein Märchen
von George Orwell

Video:

Klassiker der Weltliteratur: George Orwell - "Farm der Tiere - Youtube




Die Farm der Tiere - YouTube

Samstag, 18. Juli 2020

»Buddenbrooks« abgeschlossen



Am 18. Juli ist es genau 120 Jahre her, daß Thomas Mann (1875-1955) seinen ersten Roman »Buddenbrooks« abgeschlossen hat. Für die Geschichte vom »Verfall einer Familie« erhielt der Autor 1929 den Literaturnobelpreis.

Buddenbrooks
Buddenbrooks

Am 26. Februar 1901 erschien der erste Band des Familienromans »Die Buddenbrooks« von Thomas Mann im S. Fischer-Verlag in Berlin. Die »Buddenbrooks« von Thomas Mann ist eine Geschichte von vier Generationen einer Lübecker Kaufmannsfamilie, deren Aufstieg und Niedergang sich zwischen den 30er und den späten 70er Jahren des 19. Jahrhunderts zuträgt.

Schon der Untertitel »Verfall einer Familie« macht deutlich: Es handelt sich um die Verfallsgeschichte einer Familie - der Buddenbrooks. Der Roman zeigt die Mechanismen des Aufstiegs und Untergangs dieser Familie. Es ist die Geschichte einer Familie und gleichzeitig die Rekonstruktion des Auftauchens und des Verschwindens bürgerlicher Werte.

Der Autor erzählt vor der Kulisse Lübecks nur wenig verschlüsselt die Geschichte seiner eigenen Familie und ihrer Stellung in der Vaterstadt Lübeck, soweit er sie nachvollziehen, in Einzelheiten überblicken konnte, ja sogar noch miterlebt hat. Verwandte, Honoratioren und markante Persönlichkeiten seiner Jugend werden integriert.



Mit seinem 1901 veröffentlichten Roman gelang dem damals 26-jährigen Thomas Mann ein fulminanter Einstieg in die Literaturszene. Für seine in den Romanen Zeit- und Kulturanalysen wurde er schnell zu einem bekannten Autor.

Seine autobiografische grundierte Schilderung eines Lübecker Bürgergeschlechtes war zugleich der hellsichtige Abgesang auf die Gattung des Familienromans.

Anlaß für das Buddenbrook-Haus in Lübeck und das Literaturhaus München, den Jahrhundert-Roman und seinen Autor in einer ganz besonderen Ausstellung zu würdigen. Zu sehen und zu hören sind zahlreiche Dokumente der Romanentstehung und der turbulenten Publikations- und Wirkungsgeschichte. Historische Landkarten und Fotos stecken die Schauplätze der Romanhandlung ab. Auf den Hörinseln können sich die Besucher Ausschnitte aus dem Roman vorlesen lassen oder die dort beschriebene Musik anhören.

Die Ausstellung stellt den Zusammenhang zwischen der realen Familien- und Stadtgeschichte und ihrer Gestaltung im Roman in den Mittelpunkt. Sie präsentiert ein Stück Lübeck des 19. Jahrhunderts und stellt dies den Schauplätzen, den Romanfiguren und der Handlung des Romans gegenüber.

Thomas Manns herausragende Stellung im Literaturbetrieb resultiert daraus, daß er seine Romane zu Sittengemälden ihrer Epoche sowie zu Kultur- und Zeitanalysen erhob.

Weblinks:

Thomas Mann-Biografie - Biografien-Portal www.die-biografien.de

Thomas Mann-Zitate - Zitate-Portal www.die-zitate.de


Blog-Artikel:

»Die Buddenbrooks« von Thomas Mann erschienen - Literatenwelt

>Thomas Mann 60. Todestag - Literatenwelt

»Buddenbrooks« von Thomas Mann - Literatenwelt


Literatur:

Buddenbrooks
Buddenbrooks
von Thomas Mann


Buddenbrooks Rezension
von Joachim Weiser

Samstag, 13. Juni 2020

Charles Dickens und die Viktorianische Ära


Charles Dickens


Die lange Regierungszeit der britischen Königin Viktoria (1837–1901) war eine Zeit großer Fortschritte auf technologischem und industriellem Gebiet. Großbritannien errichtete während der Viktorianischen Ära ein der ganzen Welt ein umfangreiches Imperium, in dem aber viele Menschen vom Fortschritt ausgeschlossen blieben und arm blieben.
Die allgemeine Stimmung wurde von Königin Viktoria nach einem Besuch der Weltausstellung zum Ausdruck gebracht. Am 29. April 1851 schrieb sie in ihr Tagebuch: »Wir sind fähig, alles zu tun.«

Der rasante Fortschritt wurde jedoch in der Kultur und Literatur von großer und zunehmender Skepsis begleitet. Die Autoren dieser Epoche reflektierten ihre Bedenken, dass der Geist des Menschen durch das Maschinenzeitalter zerstört werden könnte. Prägendster Autor und Chronist der der viktorianischen Zeit war Charles Dickens, der zu jener ZEit meistgelesenste englische Autor.

Großbritannien hatte das Recht, wenn nicht die Pflicht, der Welt seinen Stempel aufzudrücken. Genau das taten britische Soldaten, Ingenieure und Industrielle mehr als ein halbes Jahrhundert lang.

Charles Dickens

Charles Dickens avancierte mit seinen Werken zu einem der bedeutendsten Vertreter der realistischen Literatur des 19. Jahrhunderts. Anhand charaktervoller Figuren zeichnete er Geschichten mit existenziellem Hintergrund, in denen das Gute mit dem Bösen ringt. Dabei beleuchtete er die sozialen Probleme seiner Zeit.

In einem boomenden Markt für Bücher und Zeitschriften bediente Dickens mit seiner bildreichen Prosa bestens die Bedürfnisse eines moralisierenden Publikums viktorianischer Herrenmenschen, das sich im Einvernehmen mit Gottes Schöpfung fühlte und mit religiös inspiriertem Dünkel auf das wachsende Heer der Armen und „gefallenen Frauen“ fern der feinen Gesellschaft herabsah.

Dickens brachte in seiner literarischen Produktion das Kunststück fertig, so Gelfert, der viktorianischen Gesellschaft ihre Mängel „um die Ohren zu hauen“ und sich gleichzeitig mit ihr vollständig zu identifizieren. Für den modernen Geschmack allerdings gehören Dickens Romane mit ihren unwahrscheinlichen Wendungen zu einer längst überholten romantischen Weltsicht. Darin ändert auch ihr sozialkritischer Einschlag nichts. Trotz ihrer Frontstellung gegenüber der beginnenden Industrialisierung wurden Dickens Romane und Novellen schon von manchem kritischen Zeitgenossen als sentimentaler Kitsch abgetan.


Oliver Twist


Im Jahr 1838 erschien der Roman »Oliver Twist« erstmals. Einer seiner populärsten Romane war »Oliver Twist« (1837–1839). Mit »Oliver Twist« prangerte Dickens die gesellschaftlichen Missstände der damaligen Zeit an. Selbst Historiker haben Dickens' Romane als dokumentarische Quelle herangezogen.

Im Jahre 1849 begann Dickens mit der Arbeit an seinem Roman »David Copperfield«, der auf Erfahrungen aus seiner Kindheit und seinem frühen Leben basiert. Mit dem stark autobiografisch geprägten Roman »David Copperfield«, den er selbst als seinen »Lieblingsroman« bezeichnete, schuf Charles Dickens einen der wenigen großen Bildungsromane der englischen Literatur.

In seinem Roman appellierte er mit der Kritik an der Missachtung des Kindes, die der Kritik an sozialen Missständen vorangeht, an das Gewissen und wollte den Weg für soziale Reformen ebnen.

Um 1850 wurde Charles Dickens zum Chronisten der industriellen Revolution in England und des Molochs London. In seinem autobiografischen Roman »David Copperfield« schildert er das Arbeitsleben in den Fabriken, wo schon Kinder ausgebeutet wurden.

Charles Dickens zeichnete ein lebendiges Gesellschaftsgemälde der Viktorianischen Zeit, in dem sich Charakteristika seiner Werke wie scharfe Beobachtungsgabe, psychologisches Feingefühl und Sozialkritik vereinen. Seine Werke liefern eine eindrückliche Schilderung des sozialen Verhältnisse und herrschenden Armut.

Niemand hat so feinfühlig die viktorianische Zeit in seinen Romanen geschildert wie Charles Dickens. Seine Romane leben von seinen liebevoll gezeichneten Figuren. Humorvoll schildert Dickens das Volksleben seiner Zeit. Er stellte aber auch mit deutlicher Sympathie für die Armen und Unterdrückten soziale Mißstände dar.

Weblinks:

Charles Dickens-Biografie - Biografien-Portal www.die-biografien.de

Charles Dickens-Zitate - Zitate-Portal www.die-zitate.de

Blog-Artikel:

»Oliver Twist« von Charles Dickens

Charles Dickens 150. Todestag

Samstag, 25. April 2020

»Das Dekameron« von Giovanni Boccaccio









Das Dekameron

Boccaccio ist einer der bedeutendsten Erzähler der europäischen Literatur. Sein weltberühmtes Hauptwerk »Das Dekameron« (Hundert Erzählungnen) mit seiner einzigartigen Erzählkonstruktion, setzte Maßstäbe für die Gattung der Novelle. Die Novellensammlung »Il Decamerone« entstand in den Jahren 1348 bis 1353 in der Form eiesn Erztählzyklus.

Als die Pest zu dieser Zeit heftig in Europa wütete, setzte Giovanni Boccaccio der Verzweiflung mit seinem berühmten und lebenslustigen »Decamerone« die Hoffnung entgegen. Die zumeist erotischen Geschichten spielen in allen Milieus ihrer Zeit, in Klöstern, bei Handwerkern und den höheren Ständen.

Auf der Flucht vor der Pest erzählen sich in einer selbst gewählten Quarantäne auf einem Landgut bei Florenz zehn junge Adlige, die vor der Pest aus der Stadt geflohen sind, zum Zeitvertrieb zehn Tage lang je eine Geschichte. Die 100 Novellen des berühmten 'Decamerone' sind eines der schönsten Werke der Weltliteratur. Unübertroffen ist die Vielfalt der Figuren und Motive, bis heute begeistert die Schönheit, Kraft und Lebendigkeit des Erzählens. Im Vordergrund der ganz auf Lebenslust und Daseinsfreude gerichteten Geschichten steht fast immer die Liebe.

»Il Decamerone« ist ein Sittengemälde aus einer harten und entbehrungsreichen, aber auch kreativen und vorwärtsstrebenden Zeit. Die Renaissance zur Zeit der wütenden Pest aus der Sicht des Volkes.

Diese Sammlung von kurzen, flüssig erzählten Novellen (Kurzgeschichten) ist ein tolles Beispiel für zeitlosen Humor. Zwischen deftig derb, lustig und nachdenklich stimmen einen die einzelnen Schicksale.

Das Hauptthema (Liebe macht blind) ist immer noch aktuell. Die satirische Bloßstellung von Herrschenden und Kirche machte das Werk seinerzeit zum heimlichen Renner, was man heute noch gut nachvollziehen kann.

In dem Werk »Das Dekameron« finden sich und den italienischen Novellen Themen der Weltliteratur, wie z.B. »Nathan der Weise«, »Der Kaufmann von Venedig« und viele mehr.

Literatur:

Das Dekameron
Das Dekameron. Vollständige Ausgabe
von Giovanni Boccaccio

Das Dekameron
Das Decameron: Mit den Holzschnitten der venezianischen Ausgabe von 1492
von Giovanni Boccaccio

Das Dekameron
Das Dekameron Fischer Klassik
von Giovanni Boccaccio

Freitag, 27. März 2020

»Sehnsucht« von Friedrich Schiller




Ach, aus dieses Tales Gründen, Die der kalte Nebel drückt, Könnt ich doch den Ausgang finden, Ach wie fühlt ich mich beglückt! Dort erblick ich schöne Hügel, Ewig jung und ewig grün! Hätt ich Schwingen, hätt ich Flügel, Nach den Hügeln zög ich hin.

Harmonieen hör ich klingen, Töne süßer Himmelsruh, Und die leichten Winde bringen Mir der Düfte Balsam zu, Goldne Früchte seh ich glühen Winkend zwischen dunkelm Laub, Und die Blumen, die dort blühen, Werden keines Winters Raub.

Ach wie schön muß sichs ergehen Dort im ewgen Sonnenschein, Und die Luft auf jenen Höhen O wie labend muß sie sein! Doch mir wehrt des Stromes Toben, Der ergrimmt dazwischen braust, Seine Wellen sind gehoben, Daß die Seele mir ergraust.

Einen Nachen seh ich schwanken, Aber ach! der Fährmann fehlt. Frisch hinein und ohne Wanken, Seine Segel sind beseelt. Du mußt glauben, du mußt wagen, Denn die Götter leihn kein Pfand, Nur ein Wunder kann dich tragen In das schöne Wunderland.


»Sehnsucht« von Friedrich Schiller


Samstag, 14. März 2020

Das Buch der Stunde: »Die Pest« von Albert Camus

Albert Camus


Die Begegnung mit Seuchen berührt die Urängste vor dem Unsichtbaren, Unreinen, Unheimlichen. Macht den Infizierten potenziell auch zum Aussätzigen. In dieser Situation ist Albert Camus’ Roman »Die Pest« das Buch der Stunde. Für den französischen Nobelpreisträger war die 1947 geschriebene Roman »Die Pest«, eine Allegorie auch der Zivilisationsbrüche der Moderne. Der „Schwarze Tod“ kommt als Virus zugleich von innen, aus den Einzelnen und der Gesellschaft. Er tritt auf „zum Unglück und zur Belehrung der Menschen“, denn er stellt ihre Mitmenschlichkeit auf die Probe.

»Eine Seuche ist kein Ding, das nach dem Maß des Menschen gemacht ist,
darum sagen wir uns, die Seuche sei ...«

Camus zeigt dabei ohne apokalyptischen Grusel und voll nüchterner Rationalität, dass neben der Medizin weniger die gegenseitige Abschottung als vielmehr die gesellschaftliche Solidarität ein Mittel des Widerstands ist. Gegen Viren und Wirren, gegen sichtbare oder noch verborgene Schrecken. Das klingt hellsichtig, auch für heute.
Der „Schwarze Tod“ kommt als Virus zugleich von innen, aus den Einzelnen und der Gesellschaft. Er tritt auf „zum Unglück und zur Belehrung der Menschen“, denn er stellt ihre Mitmenschlichkeit auf die Probe.



In der nordafrikanischen Stadt Oran, einer französischen Präfektur an der Küste Algeriens, bricht eine Seuche aus, nachdem tote Ratten überall in der Stadt herumlagen. Die sich unerbittlich ausbreitende Epidemie bestimmt das Leben in der Stadt und verändert es.

Die Pest wütet in der Stadt, die ganze Stadt liegt im Fieber. Oran wird hermetisch abgeriegelt und über die Stadt wird eine Quarantäne verhängt. Ein Entkommen ist nicht möglich. Albert Camus' erfolgreichster Roman gehört zu den Klassikern der Weltliteratur. In ihm seziert er hellsichtig das menschliche Handeln im Angesicht der Katastrophe.

»Man stelle sich das Entsetzen in unserer kleinen Stadt vor, die bis jetzt so ruhig gelebt hatte und nun in wenigen Tagen völlig aufgewühlt wurde, einem gesunden Menschen, dessen dickes Blut jetzt in Aufruhr gerät.«


Der im Stile einer Chronik verfasste Roman schildert den Ablauf der Pest in der algerischen Stadt Oran in den 1940er Jahren. Der Verfasser der Chronik über den Ablauf der Pest ist der Arzt Rieux, der in der Stadt Pestkranke versorgt und betreut. Aus dessen Sicht wird auch der Roman geschildert.

Dem Chronisten ist es ein Anliegen, "die Geschichte der Herzen aller unserer Mitbürger zu schreiben, die von der Pest zerrissen und von Verlangen erfüllt werden."

»Die Pest« von Albert Camus ist ein bewegender und beklemmender Roman über das Schicksal von Menschen in einer von der Pest heimgesuchten Stadt in Algerien. Seit dem Ausbruch der Pest in der Stadt geraten alle geordneten Bahnen auseinander.

In Oran, einer Stadt an der algerischen Küste, die jeder anderen mitteleuropäischen Stadt entspricht, bricht die Pest aus und über die gesamte Stadt wird Quarantäne verhängt. Jedem Bewohner, der sich zu diesem Zeitpunkt innerhalb der Stadtmauern befindet, wird dadurch für die folgenden Monate die Möglichkeit genommen, diese zu verlassen und zu fliehen.


»Weil die Plage das Maß des Menschlichen übersteigt, sagt man sich, sie sei unwirklich, ein böser Traum, der vergehen werde. S. 27«

Albert Camus, »Die Pest«


Albert Camus schildert in seinem Roman „Die Pest" die verschiedenen Verhaltensweisen der Menschen in einer Ausnahmesituation wie dieser. Die Hauptperson etwa, Dr. Rieux, stürzt sich in die Arbeit und versucht mit allen in seinen Möglichkeiten stehenden Mitteln die Pest einzudämmen und den Betroffenen zu helfen. Bei dieser Arbeit begegnen ihm die verschiedensten Charaktere, wie ein in der Zeit vor der Quarantäne verzweifelter Mann, der nach einigen zwielichtigen Unternehmungen die Justiz fürchtet und einen Selbstmordversuch unternimmt.

In der Pestzeit jedoch lebt dieser Mann auf und entwickelt auch neue Lebensfreude, da die Polizei aufgehört hat, sich um „kleine" Verbrecher wie ihn zu kümmern. Ein weiteres Beispiel für unterschiedliche Reaktionen auf ein und das selbe Ereignis ist auch Rambert, ein Journalist, der nur zufällig in Oran weilt, als die Stadttore geschlossen werden und der mit allen Mitteln versucht, zu entfliehen, da er sich von der Pest nicht betroffen fühlt. Er fühlt sich in keinster Weise mit den eingeschlossenen Menschen verbunden, da er nicht dort lebt und nur zufällig davon mithineingezogen wird. Darum sieht er nicht ein, dass auch er die Stadt nicht verlassen darf.

Camus beschreibt wie sich die Pest allmählich in der Stadt ausbreitet. Er beschreibt
die in der Stadt grassierende Pest mit einem Dreschflegel, der über der Stadt am Himmel wütet.

»So wehrten sich die Gefangenen der Pest Woche und Woche so gut es ging. Es gab sogar ein paar unter ihnen, die sich einbilden konnten, sie handelten noch als freie Menchen, sie vermochten es noch, eine eigene Wahl zu teffen. Aber in Wahrheit konnte man zu dieser Zeit sagen, daß die Pest alles überschwemmt hatte. Da gab es keine Einzelschicksale mehr, sondern nur noch ein gemeinschafltiches Erleben: das der Pest und der von allen empfundenen Gefühle.« (Seite 110)

Jene Aspekte, die Camus' Weltbild entscheidend geprägt hatten: sein unerschütterlicher Glaube an die individuelle Verantwortung und seine konsequente Ablehnung aller finsteren Ideologien, die den Menschen zu erdrücken drohten.

Ein weiterer bedeutender Aspekt ist, dass lediglich jene Menschen nach Abklingen der Pest Freude erfahren, die zuvor nichts verlangten, was über den Menschen und seine Liebe hinausreichen könnte. Diejenigen jedoch, die das nicht Greifbare, kaum zu Erreichende begehrt und herbeigesehnt hatten, finden keinen Frieden. So auch Tarrou, der ob seiner inneren Zerrissenheit und seines Strebens nach Heiligkeit keine Hoffnung in sich trägt und damit auch keinen Frieden.

Hier zeigt sich klar und deutlich, wie Camus seinen Existentialismus definiert und worauf er hinausläuft - auch in politischem Sinne. Dies ließe sich auch noch mit Camus' Vorstellungen vom Individuum und seiner Moral verknüpfen sowie gegebenenfalls mit Ramberts Gedanken hinsichtlich des Sterbens für eine Liebe, statt für eine Idee.

»Alles, was der Mensch im Spiel der Pest und Lebens gewinnen konnte,
waren Erkenntnis und Erinnerung.«


Albert Camus, »Die Pest«, Seite 190

Mit dem in Form einer allegorischen Chronik angelegten Roman Die Pest gelang Camus eine der wichtigsten literarischen Vergangenheitsbewältigungen der französischen Nachkriegszeit. Camus verstand sein Werk als literarisches und historisches Dokument sowie Mahnmal gegen jede Art von Gewalt und Terror, als Aufruf zu gesellschaftlicher Solidarität und kollektivem Engagement in Zeiten der Not.


Die frei erfundene Handlung spielt in den 1940er Jahren in der nordafrikanischen Stadt Oran. Sterbende Ratten sind das erste Anzeichen der Pest, die das Volk zunächst nicht wahrhaben will. Als die Seuche immer mehr Menschenleben fordert, wird die Stadt unter Quarantäne gestellt. Der Arzt Rieux organisiert den Widerstand gegen die Seuche, unterstützt vom Pariser Journalisten Rambert, dem kleinen Angestellten Grand und dem gemäßigten Ideologen Tarrou. Die freiwilligen Hilfstrupps setzen sich unermüdlich für die Rettung von Menschenleben ein. Nutznießer der Tragödie sind der Kriminelle Cottard und der Jesuit Paneloux. Tarrou, mit dem sich Rieux angefreundet hat, stirbt als einer der Letzten an der Pest, als die Bevölkerung schon die Befreiung von der Seuche feiert. Sein Tod erscheint ebenso absurd wie das Sterben von Rieux’ Frau, die er im Sanatorium außerhalb der Stadt in Sicherheit glaubte.

Camus beschreibt ein kollektives Leid, das eine Gemeinschaft ereilt.

Camus lässt im Verlauf des Romans mehrere Protagonisten sterben, darunter der Geistliche Paneloux, der Richter Othon und der Gefährte Tarrou und auch Rieuxs Frau.

Er zeigt die Auswirkungen auf das moralische Klima in der Stadt und Verhaltensweisen einzelner Personen, die sich der Seuche entweder widersetzen oder sie für ihre Zwecke nutzen. Die Symptome einer allegorischen Bedeutung der Pest häufen sich im Verlauf des Textes und werden durch wiederholte Vergleiche von Pest und Krieg bestätigt.

Mit der Beschreibung der Aktionen der Sanitäter, die sich gegen eine scheinbare Übermacht behaupten, würdigt Camus im literarischen Gleichnis die Leistung der französischen Widerstandsbewegung. Die Kollaboration besteht in der Nutznießung der Seuche durch Schmuggler, Kriminelle und den Geistlichen Paneloux. Auch wenn die Pest am Ende besiegt ist, wird davor gewarnt, dass der Triumph nicht endgültig sein kann.


»Aber Rieux, was hatte er gewonnen? Sein einziger Gewinn war, daß er die Pest gekannt hatte und ihm die Erinnerung daran blieb, daß er die Freundschaft gekannt hatte und ihm die Erinnerung daran blieb, daß der die innige Verbundenheit kannte und ihm eines Tages nur noch die Erinnerung daran bleiben würde. Alles, was der Mensch im Spiel mit der Pest gewinnen konnte, waren Erkenntnisse und Erinnerung.«

Nichts kann die Pest besser charakterisieren als dieser Satz.


»Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen.«

Ernst Bloch


Literatur:

Die Pest
Die Pest
von Albert Camus

Klassiker der Weltliteratur: Albert Camus - "Die Pest" - www.youtube.com




Albert Camus-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Freitag, 27. Dezember 2019

»Effi Briest« von Theodor Fontane

Effi Briest

Theodor Fontane wurde erst sehr spät in seinem Leben als Romanschriftsteller erfolgreich und bekannt. Am bekanntesten wurde er dabei seinem Roman »Effi Briest«.

Effi Briest, ein siebzehnjähriges Mädchen, das mit ihren Freundinnen im Garten von Hohen-Cremmen spielt, wird Baron Geert Innstätten vorgestellt. Ein Mann im Alter ihrer Mutter, ein politisch strebsamer Landrat höchsten Ansehens. Schon bald werden die Verlobung und dann die Hochzeit gefeiert und Effi zieht mit ihrem Bräutigam in die pommersche Kleinstadt Kessin in ein altmodisches Fachwerkhaus zwischen Seebädern und der Plantage, einem weiten Wald. Nicht nur ist ihr das Haus mit dem Geist des Chinese unheimlich, sie langweilt sich auch ungemein.

Ihr für Richard Wagner schwärmender Ehemann ist wenig sinnlich und selten zuhause, das Kind das sie schon bald zur Welt bringt wird von Roswitha ihrer Vertrauten versorgt und der liebenswürdige Freund Apotheker Gieshübler, kümmert sich um die junge Ehefrau intellektuell. Nichts davon stillt jedoch Effis Temperament. Allein Major Crampas, Instettens Freund erfrischt sie auf wunderliche Weise. Sie beginnt zu kokettieren und verwandelt sich darüber vom Mädchen zur Frau..

Effi Briest, im Buch zunächst als "Tochter der Luft" beschrieben, weil sie vor Lebensenergie glüht, heiratet im zarten Alter von 17 Jahren auf Wunsch ihrer Eltern Baron von Instetten. Der Jugendfreund von Effis Mutter ist angetan von dem jungen Wirbelwind und nimmt sie nach der Hochzeit mit in sein Haus nach Tessin. Doch Effi will sich so garnicht in die steife und langweilige Gesellschaft einfügen, die Instetten so sehr schätzt. Als sie den Bezirkskommandanten Crampas kennenlert und eine Affäre beginnt, entehrt sie Instetten endgültig. Als Baron von Instetten nach Berlin versetzt wird, scheint der lästige Kommandant vergessen und sich alles in Wohlgefallen aufgelöst zu haben. Und das wäre er auch bestimmt geblieben, wenn Instetten nicht seine leidenschaftlichen Briefe an Effi gefunden hätte. Instetten fühlt sich zutiefst in seiner Ehre verletzt und klagt Effi an. Letztendlich findet sie aber auf Umwegen ihren Weg.


Ihr Mann, der ihr von der Mutter mehr oder weniger aufgeredete Baron von Innstetten, war so ehrgeizig, bei Bismarck Karriere zu machen, daß die Dienstleute des Paares sich zuraunten, wer wirklich hinter der Ehekrise stecke. Effi wirft Innstetten Mangel an romantischem Gefühlsleben vor: "Du willst es bloß nicht zeigen und denkst, es schickt sich nicht und verdirbt einem die Karriere." Landrat von Innstetten (Effi: "Er ist ja ein Mann von Ehre") wird von Bismarck öfter als üblich in sein Gut Varzin in Hinterpommern gebeten. Kaum bricht Innstetten dorthin auf, beginnt Effi sich vor einem spukenden Chinesen mit "gelben Pluderhosen und flachem Deckelhut" zu fürchten. Sein kleines Abbild war von den Dienstmädchen an die Lehne eines Stuhls geklebt worden, der als einziges Möbel in den sonst leeren Räumen stand.

In der Dynamik ihrer Affäre, die weniger einer Liebe zu einem anderen Mann oder nicht ausgelebtem sexuellen Begehren entspringt, als vielmehr dazu, einen anderen Schmerz, ein anderes Trauma zu übertönen. Aber auch im ambivalenten Verhältnis zu ihrer Tochter, das gleichzeitig von mütterlichen Instinkten sowie narzisstischen Projektionen geprägt ist, wovon Scheidungsanwälte ein Lied singen können. Von den vielen starken Frauen bei Fontane – starke Männer kommen bei ihm fast überhaupt nicht vor – ist Effi Briest eine der stärksten und selbstbewusstesten. Und sie ist keineswegs ein Opfer, sondern vielmehr vollkommene Herrin ihres eigenen Schicksals. »Effi Briest« ist nicht die Erzählung vom Zwang moralischer Konventionen sondern die Geschichte einer Selbstverwirklichung, die auch noch in ihrem Scheitern als Untergang zelebriert wird.

Der Roman ist eine deutsche »Madame Bovary«, das deutsche Gegenstück zu Flauberts Roman. Fontane gelingt damit eine der beeindruckendsten Darstellungen des Schicksals einer Frau in der deutschen Literatur. Bei Fontane stirbt die arme Sünderin Effi im Alter von etwa 30 Jahren an "gebrochenem Herzen".

Die Fabel dieses Romans hat ihre Quelle in der Wirklichkeit. Fontane - der auch lange als Journalist gearbeitet hatte - griff eine Zeitungsmeldung aus dem Jahre 1886 über ein Duell zwischen einem preußischen Offizier und einem Amtsrichter auf. Der Anlass war die Liebesaffäre zwischen dem Offizier und der Frau des Amtsrichters, Elisabeth von Ardenne.

Dass ausgerechnet Fontanes »Effi Briest« zur den Standardwerken der deutschen Schullektüre zählt, ist ein wenig paradox. Nicht nur weil Fontane selbst wenig von Schule hielt, ähnlich wie Thomas Mann empfand er seine wenigen Schuljahre als Qual und vergeudete Zeit. Vielmehr noch, weil das Buch eigentlich eines von Fontanes moralisch ambivalentesten Romanen ist, und als moralische Parabel, zu der es für den Unterricht zurecht geschustert wird, denkbar schlecht geeignet ist.


Literatur:

Effi Briest
Effi Briest
von Theodor Fontane

Effi Briest
Effi Briest
von Theodor Fontane


Weblinks:

Heros und Heulhuber - SPIEGEL-Artikel

Zum 200. Geburtstag von Theodor Fontane - www.freitag.de

Samstag, 23. November 2019

»Das Schloß« von Franz Kafka

Das Schloß

Das Schloß

»Das Schloß« von Franz Kafka ist ein 1922 entstandenenes Romanfragment von Franz Kafka. Das letzte, von Januar bis September 1922 entstandene Romanfragment von Franz Kafka greift das in »Der Prozess« entworfene Thema der unendlichen, letztlich scheiternden Suche des Individuums nach Erkenntnis auf. Der Roman ist eine schillernde Parabel für das Ausgeliefertsein an anonyme Mächte.

Kafkas Roman »Das Schloß« ist eines der bedeutendsten Werke des 20. Jahrhunderts, eine zeitlose Parabel über die Labyrinthe moderner Bürokratie und die Abgründe der eigenen Existenz. In Form einer Parabel auf die Existenzsituation des Menschen der Moderne schildert Kafka, wie eine anonyme Macht – das Schloss – die Sehnsucht des Menschen nach Wahrheit und Sinn manipuliert, den Suchenden bannt, unterdrückt und vernichtet.

»Das Schloß«, Kafkas letzter großer Roman, erzählt von K., der vom Grafen eines ländlich gelegenen Schlosses als Landvermesser beauftragt wird. Doch K.s Versuche, ins Schloß zu gelangen, scheitern ebenso wie sein Bemühen, im Dorf seinen Platz zu finden; und sein Kampf gegen die allgegenwärtige, anonyme und undurchdringliche Bürokratie der Schloßverwaltung endet für ihn in einem Dickicht aus Geheimnissen und Erniedrigungen.

In einer Winternacht gelangt der Landvermesser K. in ein Dorf, das von einem mysteriösen Schloss und dessen »Beamten« beherrscht wird. Erfolglos versucht K. während der kommenden sieben Tage ins Schloss vorzudringen. Hilfe erhofft er sich von den Dorfbewohnern, obskure und tragische Gestalten, die K. in undurchschaubare Ereignisse verstricken, deren widersprüchliche Hinweise er aber nicht zu entschlüsseln vermag. K. konzentriert seine eigennützigen, irrationalen Anstrengungen alsbald auf den Schlossbeamten Klamm: Er verführt dessen Geliebte, dringt nachts in Klamms Kutsche ein und berauscht sich am Cognac des Beamten.

Als diese Provokation der autoritären Instanz scheitert, schließt sich K. einem Schlossboten an, dessen Familie im Dorf geächtet wird, seitdem sich die Schwester einem Beamten verweigert hat. Die Ereignisse überstürzen sich, als K. zu einem »Verhör« bestellt wird: Klamms Geliebte, die vom Besuch bei der verfemten Familie erfahren hat, trennt sich von K.; während ein Sekretär dem entkräfteten K. versichert, dass das Amt seine Bitten nun erfüllen würde, fordert ihn ein anderer Sekretär auf, Klamms Geliebte freizugeben.

Bevor der zu Tode erschöpfte K. in tiefen Schlaf sinkt, beobachtet er die hektische Betriebsamkeit der Schlossdiener und erfährt, dass seine Anwesenheit das Amt erheblich behindern würde. Nachdem ein Zimmermädchen K. am folgenden Morgen anbietet, fortan bei ihr zu wohnen, bricht die surreale Handlung ab.

Kafka schildert die Veränderungen, die in den einheimischen Menschen und dem fremden Landvermesser ablaufen.

Max Brod (1884–1968), Herausgeber der Werke von Kafka, berichtet, dass geplant war, den Roman mit K.s Tod enden zu lassen. Im gleichen Moment sollte dem Protagonisten vom Schloss die endgültige Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis erteilt werden.

Ins Zentrum des Bannkreises, der K. und die Dorfbewohner gefangen hält, setzt der Autor das unerreichbare Schloss bzw. das Phantom des übermächtigen Klamm. Schloss und Beamte sichern ihre absolute Machtposition, indem sie vorgeben, das Ziel aller menschlichen Sehnsüchte zu sein, sich zugleich aber jedem Verlangen nach deren Erfüllung entziehen.


Das Schloß

Das Schloß

»Das Schloss« ist neben »Der Verschollene« und »Der Process« einer der drei unvollendeten Romane von Franz Kafka, entstanden zwischen 1911 und 1914 und 1927 von seinem Freund und Herausgeber Max Brod postum veröffentlicht. In den frühen Ausgaben wurde der Roman unter dem von Brod bestimmten Titel »Amerika« veröffentlicht.

Wie »Der Process« hat »Das Schloss« eine Vielzahl psychologischer, soziologischer bzw. theologischer Deutungsversuche nach sich gezogen. Die bleibende Faszination, die der Roman bis heute ausübt, resultiert aus dem Verzicht des Autors, einen eindeutigen Sinngehalt anzubieten. Die »offene« Struktur, die schon Der Prozess aufwies, beeinflusste die moderne Dichtung maßgeblich und trug mit dazu bei, dass Das Schloss weit über die Grenzen der Literatur hinaus Aufmerksamkeit fand.

Es ist eine Geschichte, die unweigerlich auch an die Situation vieler Flüchtlinge erinnert: Der Kampf mit der Bürokratie, die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, der Wunsch, einen Platz in der Gesellschaft zu finden.

Und so wird "Das Schloss” zum Symbol für die Unerreichbarkeit all dessen. Auch deshalb ist es so beklemmend, sich diesem zehn Stunden langen Hörspiel auszusetzen.

Das Schloss. Umrisse. Still wie immer. Niemals das geringste Zeichen von Leben. Nicht möglich aus dieser Ferne etwas zu erkennen.

Literatur:

Das Schloß
Das Schloß
von Franz Kafka

395855184X


Das Schloss - Rezension



Franz Kafka, »Das Schloss«, Kritische Ausgabe,