Mittwoch, 14. März 2018

»Heldenplatz« von Thomas Bernhard

Thomas Bernhard


Thomas Bernhard war einer der größten Literaten Österreichs und einer, der am wenigsten verstanden wurde. Bernhard hat mit seinen provokanten Stücken so manchen Skandal verursacht. Doch nie tobte ein solch erbitterter Kampf wie vor der Uraufführung von »Heldenplatz«. Eine ganze Nation fühlte sich verunglimpft - die Alpenrepublik stand Kopf. »Heldenplatz« ist sein letztes Werk, welches er 1988, ein Jahr vor seinem Tode veröffentlicht hat.

»Heldenplatz« ist ein Kammerspiel um den "Anschluss" Österreiches 1938 und eines seiner umstrittensten Werke. Mit »Heldenplatz« unternahm Thomas Bernhard 1988, kurz vor seinem Tod, einen letzten Frontalangriff auf seine österreichischen Landsleute. Das Stück bringt die dunkle Seite der österreichischen Seele zur Geltung. »Heldenplatz« kommt wie ein letztes Aufbegehren vor, in der er seiner Heimat die Stirn bieten wollte.

Thomas Bernhard
Thomas Bernhard, einer der bedeutendsten deutschsprachigen Autoren der Nachkriegszeit, schrieb das Theaterstück anlässlich des 100. Geburtstags des Wiener Burgtheaters und des 50. Jahrestags von Österreichs "Anschluss" an Nazi-Deutschland am 12. März 1938. Das skandalumwitterte Drama handelt von der unbewältigten Vergangenheit Österreichs, welche bis in die Gegenwart hinein reicht.

Am 15. März 1938 verkündete Adolf Hitler unter den Jubelrufen der anwesenden Wiener Bevölkerung auf dem Heldenplatz bei der Hofburg den »Anschluß« Österreichs an Deutschland. 50 Jahre später versammeln sich in einer Wohnung in der Nähe des Heldenplatzes die Familie Schuster und deren engste Freunde. Der Anlaß: das Begräbnis von Professor Josef Schuster. Für diesen philosophischen Kopf, von den Nazis verjagt, in den fünfziger Jahren auf Bitten des Wiener Bürgermeisters aus Oxford auf seinen Lehrstuhl zurückgekehrt, gab es keinen anderen Ausweg als den Selbstmord. Denn die Situation im gegenwärtigen Österreich sei »noch viel schlimmer als vor fünfzig Jahren«.


»Heldenplatz« spielt nach dem Selbstmord eines alten jüdischen Professors in Wien. Hausangestellte und Familie blicken auf dessen Verbitterung zurück und ereifern sich dabei in wütenden Schimpftiraden über den Judenhass der Wiener, die Stumpfsinnigkeit der Österreicher, die Verderbtheit der Politik und die Niederträchtigkeit des Menschen im Allgemeinen. Die Witwe des Verstorbenen hört im Wahn noch immer die Volksmassen schreien, die 1938 auf dem Wiener Heldenplatz Adolf Hitler begeistert willkommen hießen.

Das Theaterstück ist ein Kammerspiel bestehend aus drei Szenen: Im ersten wird die Vorgeschichte erzählt. Im zweiten rechnet Professor Schuster in einem nur durch kurze Anmerkungen unterbrochenen Monolog ab. Im dritten stellt er sich mit seinen Aussagen einer Reihe von weiteren Figuren. Ohne große Gegenrede, ohne einen Widersacher. Das macht das Stück zwar nicht langweilig, aber reichlich einseitig. Eine weitere Abrechnung Bernhards eben. In seinem Kammerspiel um den "Anschluss" 1938 und Antisemitismus gibt es nur wenig Handlung. Diese ist nur Vorwand für sprachmächtige, lange, sich wiederholende Tiraden.

Wer Thomas Bernhard kennt und seine Werke liest, der weiß von seinen Schimpftriaden über Systeme und Politik. In diesem Buch hat er die österreichische Gesellschaft - und speziell die Wiener, die Politik, den Antisemitismus - aufs Korn genommen und zur Zielscheibe seiner Tirade gemacht. Wer die braune Vergangenheit Österreichs thematisiert, kann auf Resonanz sicher hoffen.Die breite Palette von Haß, Gleichgültigkeit und Verblendungen bietet auch dieses Stück. Österreichs Anschluß prägte Bernhards Einstellung zu seinem Land. Die Auswirkungen sah er nie als überwunden an. Das Lachen bleibt einem bei diesem großen Komödianten im Hals stecken. Selbst der Haß zeigt seine lächerlichen Fratzen, wenn er glaubt unter sich zu sein.

Der wortmächtige Übertreibungskünstler Bernhard verzichtet auf einen klassischen Konflikt und macht den brillant aufbrausenden Text selbst zum eigentlichen dramatischen Zentrum seines Werks. Im Jahr der Premiere löste das Stück des Aufrüttlers und Mahners einen landesweiten Skandal in Österreich aus. Die Wucht des Textes ist nach wie vor beeindruckend - heute allerdings lassen sich auch seine komischen Qualitäten genießen.

Nicht zuletzt die Rezeption dieses Stücks befestigte die öffentliche Wahrnehmung Bernhards als Skandalautor, als Provokateur und (wie man es in seinem Herkunftsland vielfach sah) als „Nestbeschmutzer“. Denn ein Vorabdruck besonders polemischer Passagen aus dem Text in der österreichischen Presse verursachte damals eine landesweite Diskussion, die sich nicht zuletzt auch an der Tatsache entzündete, dass Heldenplatz ausgerechnet am Wiener Burgtheater (zu dessen 100-jährigem Jubiläum) aufgeführt werden sollte, an einem Theater, das von einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung als nationale Kulturinstitution im Dienste der repräsentativen Klassikerpflege angesehen wurde.

Literatur:

Heldenplatz
Heldenplatz
von Thomas Bernhard


»Heldenplatz« von Thomas Bernhard - Rezension
»Heldenplatz« von Thomas Bernhard - Rezension



Thomas Bernhard-Portal:

Heldenplatz (1988) - Thomas Bernhard-Portal - https://thomasbernhard.at


Heldenplatzskandal - Thomas Bernhard-Portal - https://thomasbernhard.at



Weblinks:

Thomas Bernhard-Biografie
- Biografien-Portal - www.die-biografien.de


Wiedergänger und Kultfigur - www.zeit.de

Thomas Bernard Nachruf - www.spiegel.de


Blog-Artikel:

Thomas Bernhard 80. Geburtstag

Thomas Bernhard der große Verneiner

Claus Peymann 80. Geburtstag


Videos:

Thomas Bernhard - Heldenplatz (Uraufführung 1988) - YouTube

Thomas Bernhard "Heldenplatz" im Theater in der Josefstadt - YouTube


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