Montag, 18. November 2013

»Der Fremde« von Albert Camus

Der Fremde


»Der Fremde« von Albert Camus erschien am 19. Mai 1942 in Paris und erzählt die Geschichte von einem Mann, der zum Mörder wird, weil ihn die Sonne blendet. Albert Camus, sein Schöpfer, ist der Philosoph des Absurden, in das der Mensch hineingestellt ist, der Denker der Revolte, die den Menschen ausmacht – und immer der Anwalt der Einfachheit, die dem Algerienfranzosen das Grundgegebene unter der Sonne und zugleich das am stärksten Gefährdete war.

Meursault, ein kleiner Büroangestellter in Algier, erzählt seine Geschichte. Den Weg, den er im Roman zurücklegt, veranschaulicht seine Lebensweise. - Nach dem Tod seiner Mutter, der ihn nicht wirklich trifft, nimmt er sich zwei Tage frei, um an der Beerdigung teilzunehmen. Nach der Rückkehr beginnt er eine Liebesbeziehung mit seiner früheren Kollegin Maria. Sein Nachbar Raymond lädt ihn als Dank für eine Gefälligkeit zu einem Strandausflug ein, bei dem es zu einer Auseinandersetzung zwischen Raymond und einem Araber, dem Bruder seiner früheren Geliebten, kommt. Meursault, der Raymonds Waffe an sich genommen hatte, um Schlimmeres zu verhindern, trifft später allein auf den Araber und fühlt sich von dessen in der glühenden Mittagssonne aufblitzenden Messer so bedroht, dass er ihn erschießt.

Im anschließenden Mordprozess wird versucht, die moralische Verdorbenheit Meursaults anhand seines Verhaltens in den Tagen vor dem Mord zu beweisen. Seine Äußerung, er habe den Araber eigentlich gar nicht erschießen wollen, allein die Sonne sei Schuld daran gewesen, wird mit Gelächter quittiert. Die Tröstungen des Gefängnisgeistlichen, der ihm Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod machen will, weist er zurück. Er ist nicht bereit, Reue zu empfinden oder sie zu heucheln, und wird verurteilt. Im Angesicht der Hinrichtung erkennt und akzeptiert er die Absurdität seines Daseins.

Der Fremde

Der Fremde

"Ich begriff, daß ich das Gleichgewicht des Tages, das ungewöhnliche Schweigen eines Strandes zerstört hatte, an dem ich glücklich gewesen war. Dann schoß ich noch viermal auf einen leblosen Körper, in den die Kugeln eindrangen, ohne daß man es sah. Und es waren gleichsam vier kurze Schläge an das Tor des Unheils."


Die Geschichte handelt von einem jungen Franzosen, Meursault, dessen Antriebslosigkeit keine Grenzen kennt. In seinem Persönlichkeitsprofil könnten fast autistische Züge vermutet werden. Sein Verhalten führt zu einem Mord, den er aus Notwehr begeht. Das richterliche Urteil führt aufgrund mehrerer sinnloser Schüsse, die er zusätzlich abgibt, seiner fehlenden Reue und der kompletten Gefühl- und Gottlosigkeit zur Todesstrafe. Selbst der Geistliche, der ihn am Abend vor seiner Hinrichtung aufsucht, wird Zeuge einer schockierenden Gleichgültigkeit gegenüber der Welt.

Die Geschichte eines jungen Franzosen in Algerien, den ein lächerlicher Zufall zum Mörder macht, wurde 1942 im besetzten Frankreich zu einer literarischen Sensation. Der Roman bedeutete den schriftstellerischen Durchbruch für Albert Camus und gilt heute als einer der Haupttexte des Existenzialismus.

»Der Fremde« des französischen Nobelpreisträgers Albert Camus erschien 1942 und wurde als Meisterwerk berühmt. Die Erzählung entstand parallel zu einer philosophischen Abhandlung des Schriftstellers über das Absurde.


Hohes Lob kam vom Gegner: „Er stellt in unserem Jahrhundert, und zwar gegen die Geschichte, den wahren Erben jener langen Ahnenreihe von Moralisten dar, deren Werke vielleicht das Echteste und Ursprünglichste an der ganzen französischen Literatur sind.", so Jean-Paul Sartre über den absurden Roman von Albert Camus.

Über den Mann, der sein Erzfeind war und den Sartre, der eine äußerst unrühmliche Rolle im politisch-philosophischen Streit dieser französischen Intellektuellen in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gespielt hat, einmal als „algerischen Gassenjungen" bezeichnet hat.

Bis heute ist »Der Fremde« eine der berühmtesten literarischen Figuren der Welt. In dem frühen Meisterwerk verkörpert Camus seine Idee des Absurden in der Figur des »Anti-Helden« Meursault, dessen Einzelschicksal ins Symbolische überhöht wird.

Literatur:

Der Fremde

Der Fremde
von Albert Camus

Samstag, 16. November 2013

»Der Mensch in der Revolte« von Albert Camus

Der Mensch in der Revolte
Der Mensch in der Revolte

»Der Mensch in der Revolte« (franz. »L’homme révolté«), erschienen 1951, ist eine Sammlung philosophisch-politischer Essays des französischen Philosophen und Schriftstellers Albert Camus, der dem Existentialismus zugeordnet wird. Im Unterschied zum vorangegangenen Essay »Der Mythos des Sisyphos« will Camus hier nicht nur „das Übel, welches ein Einzelner erlitt“ schildern, sondern die Entwicklung des Nihilismus zur „kollektiven Pest“ in Philosophie, Politik und politischer Theorie protokollieren.

Diese Sammlung von Essays gleicht einer Parforcejagd durch die Ideengeschichte der Moderne, durch die aus Geschichtsphilosophien aller Spielarten hervorgegangenen politischen Theorien und Praxen. Albert Camus entdeckt hier untergründige Verwandtschaften zwischen scheinbar gegensätzlichen Ideologien; er spitzt die einzelnen Theorien und politischen Strategien bis zum Selbstwiderspruch zu, widerlegt eingefahrene Interpretationen.

Albert Camus setzt seine Überlegungen über die Absurdität und dem Mord mit dem »Menschen in der Revolte« fort. »Der Mensch in der Revolte« ist eine Fortsetzung seines Denkens über die Absurdität des Lebens. Die Revolte ist die Unvernunft und das Unverständnis über das menschliche Leben. Seine Revolte ist die Konsequenz aus der Unvernunft des Lebens. Die Revolte ist die Auflehnung gegen das Absurde. Camus sieht in der Revolte als Mittel zur Überwindung des Absurden.

Albert Camus liefert hier in seinem Essay-Band eine kleine Kulturgeschichte der Revolte. Zuerst beschreibt er die metaphysische Revolte. Der Revoltierende ist jemand, der nein sagt zu den bestehenden Verhältnissen. Er kämpft für seine Unversehrtheit. Die metaphysische Revolte ist der Tausch zwischen dem Regime der Gnade und dem der Gerechtigkeit. Camus beschreibt die Negation Gottes an den Beispielen von Marquis de Sade, John Milton, Iwan Karamasow und Nietzsche. Der Revoltierende setzt sich mit Gott gleich. Daraus folgt, dass er eine neue Weltordnung entdecken muss. Als logische Folge beschreibt er nach der metaphysischen Revolte die historische Revolte.

Zu Beginn war die Revolte eine Loslösung aus der Knechtschaft. Der Sklave wollte die Gleichheit mit seinem Herrn und damit dieselben Rechte haben. Erst die französische Revolution wollte den Bürger als Souverän des Staates haben. Danach war Hegel für die Sozialisten das Maß der Dinge. Seine Dialekt von Herr und Knecht wurde von ihnen bereitwillig aufgenommen. Der individuelle Terrorismus der russischen Nihilisten sorgt in Russland für Chaos und Revolte. Für sie war der Tod der höchste Protest. Camus zeigt, dass jeder politische Umsturz durch ein neues Gewaltsystem ersetzt wurde. Dieser Terror fand mit dem Dritten Reich und den sowjetischen Konzentrationslager seinen Höhepunkt.

In Camus' umstrittenem Werk, wegen dem sich sein langjähriger Freund Jean-Paul Sartre von ihm abwandte, vertritt er die Überzeugung, dass die gesamte Periode nach der französischen Revolution durch den Nihilismus geprägt wurde und ihn bis heute nicht überwunden hat. Camus entzieht sich den Dogmen der Extreme und versucht, das in unserer Zeit verloren gegangene Maß wiederzufinden. Er relativiert, indem er eines nicht relativiert, und zwar den Wert des Lebens.

Albert Camus verkörperte das Pathos der Revolte. Der Existenzialist versucht dem Leben wieder einen schöpferischen Wert zu geben, doch nicht durch Religion, sondern durch Rückbesinnung auf die menschliche Schöpferkraft, dem Menschen als Künstler. Aber auch als Politiker, der in der Revolte sein Ausdrucksmaß gegen die Ungerechtigkeit in der Welt findet, aber deshalb nicht zum Misanthrop und Massenmörder wird. Wer nach Camus gegen ein ungerechte Welt revoltiert, kann sich auf seine menschliche Schöpferkraft berufen - er feiert, wie zuvor schon Friedrich Nietzsche, den Menschen als Künstler.

Weblinks:

Albert Camus-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Albert Camus-Zitate - Zitate-Portal - www.die-zitate.de


Existenzialismus - Wikipedia

Der Mensch in der Revolte
Der Mensch in der Revolte
von Albert Camus

Donnerstag, 14. November 2013

Albert Camus als »Vordenker des Absurden«

Albert Camus entwarf mit seinem philosophischsten aller Bücher, dem »Mythos von Sisyphos« eine Denkhaltung und Lebensweise zur Überwindung des Absurden in der Welt. Zunächst führt dieser »Vordenker des Absurden«, der mit dem Hammer der Sinnlosigkeit philosophierte, die an den Epikureismus angelehnte Philosophie auf ihre eigentliche existenzielle Kernfrage zurück. Deren Ursprung liegt einzig und allein in der Frage, ob das Leben die Mühe gelebt zu werden oder nicht wert sei. Es ist für ihn dies, was die Welt im Innersten zusammenhält.

Bei der Suche nach einer Antwort auf die Kernfrage entdeckt er, dass wir als Menschen die einzigen Wesen auf dieser Erde sind, die einen Sinn suchen. Einen Sinn, der alles zusammenhält, in den sich alles - Freude wie Leid - fügt. Aber eben diesen Sinn kann uns die Welt niemals geben, er wird noch in der heilen Kleinstadtwelt eines Tages grausamst verneint und der Mensch wird eiskalt auf sein lächerliches Sinnstreben zurückgeworfen. Auch Gott kann diesem Sinnstreben keine Erfüllung geben. Und auch der Selbstmord nicht.

Vielmehr muss der Mensch sich mit der Sinnleere der Welt, mit der Absurdität des Daseins abfinden. Jeden Tag muss er aufs Neue mit einem höhnischen Trotzdem beginnen, mit jenem "heiligen Ja", von dem auch Nietzsche schon gesprochen hat. Nur wenn wir die Sinnlosigkeit der Welt hinnehmen und zugleich einen unendlichen Kampf mit ihr führen, nur dann wird sich das Leben erfüllen.


Erst in diesem Kampf, in dieser Auflehnung findet der Mensch zurück zu sich selbst und wird gar zu höchster Vollkommenheit angeregt. Der Kampf gegen das Absurde führt zu einer Erhebung und Erhöhung des Menschen - und in diesem verlorenen Kampf stellt sich Glück und Zufriedenheit ein, bis die Auflehnung am nächsten Tage wieder beginnt.

Das Absurde ist, wie es in seinem Roman »Der Fremde« heißt, "die zärtliche Gleichgültigkeit der Welt". Es ist ein Paradox: das Einverständnis mit dem Schicksal, Glück selbst in der größten Hoffnungslosigkeit, eine "verzweifelte Erhabenheit". Bei Unbehaustheit, Einsamkeit und Leere bleibt Camus nicht stehen. Im zweiten Schritt fordert und vollzieht er die Auflehnung gegen das Absurde.

Der absurde Mensch rechnet zwar nicht mit der Zukunft, sondern eher mit dem Tod. Daraus resultiert aber gerade Lebenslust und -besessenheit, der absurde Mensch "hat es eilig, seine Zeit ist jetzt". Der absurde Mensch lebt im "Hier und Jetzt", er ist kein Aufschieber seines Lebens in eine ferne Zukunft. "Das Leben", schreibt der Epikureer Camus, "erleuchtet uns auch mit einem plötzlichen und verrückten Glück, das uns teilhaben lässt."

Camus lehnt sich mit seiner »Philosophie des Augenblicks« eng an Epikur an. Schon der antike Philosoph Epikur vertrat eine Ethik, die Lust als höchstes Gut ansah und das Glück als Ziel, dazu die seelische Ausgeglichenheit und das frei sein von Schmerzen. Wie der Epikureismus war auch der Stoizismus eine diesseitig orientierte Philosophie ohne transzendente Elemente im Sinne konkreter Jenseitsvorstellungen.

Weblinks:

Albert Camus-Biografie - Biografien-Portal - www.die-biografien.de

Epikureismus - Wikipedia

Blog-Artikel:

Albert Camus zum 100. Geburtstag

»Der Mythos von Sisyphos« von Albert Camus
»Der Mensch in der Revolte« von Albert Camus

Mittwoch, 13. November 2013

Peter Härtling zum 80. Geburtstag

Peter Härtling

Peter Härtling wurde vor 80 Jahren am 13. November 1933 in Chemnitz geboren. Peter Härtling, ein bekannter deutscher Schriftsteller, Lyriker, Kinderbuchautor und Essayist.

Sein Weg nahm im sächsischen Chemnitz seinen Anfang bevor er ihn als Flüchtlingskind nach Mähren und Österreich führte, bis er 1946 als Frühwaise im württembergischen Nürtingen - "meine Gegend für immer" - seine Heimat fand.

Peter Härtling hat sich mit seinem Werk in die Herzen von Kindern und Erwachsenen geschrieben. Mit mehr als 25 Kinder- und Jugendbüchern, 30 Roman-Biografien und anderen Prosa-Stücken hat er sich eine Lesergemeinde quer durch alle Generationen geschaffen.

Härtling hat die eigene Geschichte immer wieder zum Thema gemacht. 1933 in Chemnitz geboren und mit der Familie nach Mähren übergesiedelt, flüchtete er nach Ende des Zweiten Weltkriegs mit seiner Mutter. Der Vater stirbt 1945 in russischer Gefangenschaft. 1946 kommt die Familie ins schwäbische Nürtingen. Die Mutter nimmt sich das Leben.

Ein Pfarrer, ein Maler, ein Lehrer - feine und liberale Nürtinger Geister nahmen den Frühwaisen damals unter ihre Fittiche. Mithilfe dieser wunderbaren Menschen fand er den Weg ins Schreiben. Schon bald empfing Nürtingen die ersten Verse eines spindeldürren Jungen.

Härtling arbeitete als Journalist, Lektor und seit 1974 ist er freier Schriftsteller. Härtlings Romane tragen meist autobiografische Züge und haben häufig politischen Charakter, wie z.B. "Niembsch oder Der Stillstand" (1964) oder "Schubert" (1992).

In seinen Kinderbüchern, die in mehr als 20 Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet wurden, geht es meist um die Rolle des gesellschaftlichen Außenseiters und um verantwortungsvolles Handeln "Ben liebt Anna" (1986).

Seine größten Fans sind die Kinder, ihr Optimismus gibt dem heute 80-jährigen Peter Härtling Kraft. 2013 veröffentlichte der beliebte Schriftsteller seinen neuen Band "Tage mit Echo". Sein neuer Band mit vielen Echos, die aus der Vergangenheit herüberklingen, wie das „Petr“ von Härtlings mährischer Großmutter – ist ein ausgezeichnet gebauter Zweiteiler über letzte Bücher und über letzte Tage.

"Kein Autor weiß, ob es tatsächlich auch sein letztes Buch sein wird", sagt Härtling. Seinen neuen Band betrachtet er dabei nicht als "letztes Buch".

Weblinks:

Tage mit Echo: Zwei Erzählungen von Peter Härtling
Ben liebt Anna von Peter Härtling

Montag, 11. November 2013

»Der Mythos von Sisyphos« von Albert Camus

Der Mythos von Sisyphos


Albert Camus Essay »Der Mythos von Sisyphos« ist 1942 Mitten im Krieg erschienen. Der Existenzialismus, der in diesem Text seine vielleicht repräsentativste Ausformulierung erfährt, entsprach einem Lebensgefühl, das von der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs, des politischen Widerstands in der Résistance und des Zerfalls traditioneller Wertordnungen und Orientierungen geprägt ist.

In seinem Versuch über das Absurde - so der Untertitel - greift Camus in bester französischer Essay-Tradition poetisch und philosophisch die Erschütterungen seiner Zeit auf. »Der Mythos von Sisyphos« ist ein Stück Philosophie, das auf eine wirklich entscheidende Frage auch eine klare Antwort gibt. Die Frage: Lohnt es sich überhaupt, zu leben, wenn dieses Leben vollkommen absurd ist?

Dieser Essay ist der Versuch, dem Sinnlosen und Absurden in einer absurden Welt durchaus einen Sinn zu geben. Es findet seinen Ausdruck in einer besonderen Sensibilität für die Absurdität der menschlichen Existenz, die für diese Generation von Philosophen charakteristisch ist. Sie entspringt dem Gegensatz zwischen dem selbstbewussten, von Hoffnungen erfüllten und in Handlungen sich entäußernden menschlichen Geist und der ihm gegenüberliegenden undurchdringlichen, immanenten Welt, an der sein Streben immer wieder scheitert. Diese Absurditätserfahrung wirft die Frage nach Sinn und Wert des menschlichen Lebens auf.

Sisyphos antiker Held

Der "Held" des Absurden ist Sisyphos, eine Figur aus der griechischen Mythologie, der laut Camus als von den Göttern bestrafter sein Schicksal meistert. Durch die Betrachtung des Schicksals von Sisyphos "entdeckte" Camus eine "ewige Auflehnung" des Menschen gegen die "Bedingungen seines Daseins". Darin gleicht der Mensch der mythologischen Figur des Sisyphos, dessen Tun gerade in seiner äußersten und beharrlichen Sinnlosigkeit als Selbstverwirklichung erscheint -- wenn es denn gelingt, wie Camus schreibt, sich Sisyphos glücklich vorzustellen.

Albert Camus

Albert Camus ist ein moderner Sisyphos, und wie wir dank ihm wissen: »Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen". - Wir sind so daran gewöhnt, von der Absurdität unserer Existenz zu sprechen, dass wir vergessen haben, mit welcher einmaligen Intensität und Klarheit Albert Camus sie Anfang der 1940er Jahre literarisch in Szene setzte.

Der "Vordenker des Absurden" hat den antiken Helden Sisyphos entmythifiziert. Sisyphos und sein Stein sind seit Camus kein Mythos mehr und wir ahnen es bereits: »Wir alle sind Sisyphos. Wir sind der neuzeitliche Sisyhos.« - Wir modernen Menschen ruckeln alltäglich immer wieder den Stein den Berg hinauf und sehen ihn dann ins Tal stürzen. Manchmal können wir uns - befreit von der Last - mit dem talwärts rollenden Stein auch einen glücklichen Menschen nennen.

Camus verwirft jeden Versuch, die in eindringlichen Schilderungen diagnostizierte Absurditätserfahrung durch einen Sprung in metaphysische, religiöse oder rationalistische Versöhnungsangebote zu bewältigen. Einen Weg bietet nur die permanente Revolte des Menschen gegen die Absurdität, in der er unabhängig von jeder gesetzten Wertordnung seine eigentümliche Würde zu gewinnen vermag.

So bietet Camus Essay einen Ansatz zu einer neuartigen Ethik, die auf der Idee der entschlossenen Tat und der daraus resultierenden größtmöglichen Lebensintensität beruht. An deren Nutzlosigkeit kann, so Camus, angesichts der Absurdität des Daseins kein Zweifel bestehen, doch vermag der Mensch in der Revolte eine besondere Verwirklichung seiner selbst zu erfahren. Darin gleicht der Mensch der mythologischen Figur des Sisyphos, dessen Tun gerade in seiner äußersten und beharrlichen Sinnlosigkeit als Selbstverwirklichung erscheint -- wenn es denn gelingt, wie Camus schreibt, sich Sisyphos glücklich vorzustellen.

Literatur:

Der Mythos von Sisyphos
Der Mythos des Sisyphos
von Albert Camus

Blog-Artikel:

Albert Camus zum 100. Geburtstag

Albert Camus als »Vordenker des Absurden«

»Der Mensch in der Revolte« von Albert Camus

Sonntag, 10. November 2013

"Arturo Ui" von Bertolt Brecht 1958 uraufgeführt

Unter der Regie von Peter Palitzsch wurde "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui" am 10.11.1958 in Stuttgart uraufgeführt. Palitzsch war seit 1950 Mitarbeiter von Brecht am Berliner Ensemble, von 1966 bis 1971 Schauspieldirektor in Stuttgart.

Bertolt Brecht schrieb das Stück im März 1941 im finnischen Exil in nur drei Wochen nieder. Seine berühmte Parabel auf den Nationalsozialismus persifliert in der Figur des Gangsterbosses Arturo Ui die Person Adolf Hitlers und die Mechanismen seiner Machtergreifung am Beispiel Chicagos. Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui zeigt den Aufstieg Hitlers zur Macht bis zum Jahre 1938.

Bertolt Brecht schrieb mit dem »Arturo Ui« ein veritables Gangster-Stück und siedelt die Handlung dieses Stücks, das eine Parabel auf den Aufstieg Hitlers ist, in der Chicagoer Unterwelt an. Die Gemüsehändler der Stadt stecken in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der Karfiol-Trust zieht den namhaften und als ehrlich bekannten Bürger Dogsborough in dunkle Geschäfte hinein, um durch seine Fürsprache an städtische Gelder zu kommen.

Arturo Ui

Die Nazi-Größen erscheinen als Chicagoer Gangster und Gauner. Der kleine Gauner Arturo Uí bekommt Wind von dieser Sache und nutzt die Situation, um sich an die Spitze des Karfiol-Trusts zu setzen und von dort aus auch die Gemüsehändler anderer Städte unter seine Knute zu zwingen.

Die Nazis als Gauner reden in den glatten Jamben des deutschen klassischen Dramas. Durch die doppelte Verfremdung werden die Ereignisse jener Jahre erkennbar nicht als schicksalhaftes Verhängnis, sondern als die Konsequenz der herrschenden Verhältnisse.

Indem er Hitler und seine Kumpane der Lächerlichkeit preisgibt, nimmt Brecht ihnen jenen Zug des Dämonischen, den sie für viele auch heute noch zu besitzen scheinen. Die Parabel stellt klar, daß der Faschismus kein historischer Einzelfall war: Faschismus ist die noch immer mögliche Fortsetzung der Geschäfte mit anderen Mitteln.

In den Rezensionen des Stückes findet sich sehr früh der Vergleich zwischen Charlie Chaplins "Der grosse Diktator" und der Figur des einen etwas seltsamen Namen tragenden Arturo Ui. Wohl nicht zu Unrecht, Brecht hatte Chaplin 1941 im Exil kennengelernt.

Weblinks:

Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui von Bertolt Brecht

Ausgewählte Werke in sechs Bänden von Bertolt Brecht

Der grosse Diktator von Charlie Chaplin

Samstag, 2. November 2013

»San Miguel« von T.C. Boyle

In dem neuen Roman »San Miguel« von T.C. Boyle geht es auf die Pazifik-Inseln vor der kalifornischen Küste. San Miguel gehört zu den vor der Küste Santa Barbaras gelegenen Channel-Islands, meilenweit draußen im Pazifischen Ozean.

Die kalifornische Insel San Miguel ist dreizehn Kilometer lang und bis zu sechs Kilometer breit. Von 1850 bis 1948 brachten Viehzüchter Schafe auf die Insel, später nutzte die US Navy die Insel. Heute ist San Miguel Bestandteil des Channel-Islands-Nationalparks.

Karte der Kanalinseln


"Ich sehe die Insel von meinem Fenster."
T.C. Boyle
San Miguel
Weil sie mal Orte abwegiger Idealisten oder Gestrandeter waren, sind sie literarisch interessant, in der Realität jedoch weitaus weniger und für Besucher kaum von Wert. San Miguel ist eine baum- und strauchlose Enttäuschung. Die Inspiration für seinen Roman fand der Autor vor der Haustür, denn die Insel San Miguel kann er als seine Romanvorlage von seinem Haus an der Küste Kaliforniens sehen.

Boyle verwendet für seine Romane oft historische Vorbilder. In »San Miguel« sind es drei Frauen, die zu unterschiedlichen Zeiten auf der ansonsten unbewohnten kalifornischen Insel San Miguel gelebt haben. Bei Recherchen zum Roman »Wenn das Schlachten vorbei ist« lernte er die Lebensgeschichten der drei Frauen kennen, die tatsächlich Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts dort, wo kein Baum wächst und die Sonne selten scheint, ihr Glück mit der Schafzucht versuchten.

San Miguel Insel

Mitten in diese strauchlose Ödnis platziert Boyle seine Handlung. Den Anfang macht die schwindsüchtige Marantha, die 1888 mit ihrem herrschsüchtigen Mann Will, der dort von der Wolle von 4000 Schafen leben will, auf die Insel kommt. Die gute Luft, so glaubt er, werde sie heilen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Marantha geht es immer schlechter, und sie erträgt die raue Situation auf der Insel nur äußerst schlecht.

"Das Paradies ist eine Insel. Die Hölle auch."

Der zweite Teil widmet sich der Adoptivtochter des Paares, Edith. Weil sie noch nicht volljährig ist, zwingt Will sie nach Maranthas Tod, ebenfalls mit ihm auf der Insel zu leben. Doch sie setzt sich mit allen Mitteln zur Wehr und plant die Flucht. Erst Elise, die viele Jahre später mit ihrem Mann auf die immer noch unwirtliche Insel zieht, scheint dort ihr Glück zu finden.
Ein historischer Roman, der in seinen Dialogen zwar nicht den Boyle-typischen ironischen Ton pflegt, aus drei Perspektiven aber sehr gekonnt beleuchtet, wie die Isolation diese drei Frauen verändert, wie Hoffnung sie treibt, Enttäuschung sie hart macht und Einsamkeit sie verstummen lässt.

"Ich will meine Figuren leiden sehen."
T.C. Boyle
T.C. Boyle hat mit »San Miguel« einen dichten, phasenweise beklemmenden Roman geschaffen. Ein stilles, ruhiges Meisterwerk auf gewohnt hohem Niveau, das allerdings nicht jedem gefallen wird. »San Miguel« ist ein stilsicher geschriebener Roman, dessen Erzählstrom stetig und ruhig dahinfließt, ohne die ganz großen Höhepunkte zu bieten.

Dass, was T.C.Boyle in die insulare kalifornische Ödenei gezaubert hat, ist durchaus bemerkenswert. Dem großen Erzähler T.C. Boyle gelingt es meisterhaft, in dieser großen Saga das Schicksal dreier starker Frauen auf der einsamen Insel lebendig werden zu lassen. Mit bald 65 Jahren, scheint er allerdings ruhiger, abgeklärter und melancholischer geworden zu sein.

Weblinks:

T.C. Boyle-Portal - www.tcboyle.de

Fotos, Berichte, Zitate aus Zeitungsmeldungen, Links und Videos - www.tcboyle.de

San Miguel Island - Wikipedia

Sabine Schmidt über T.C. Boyle und »San Miguel« - www.rp-online.de/kultur

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San Miguel
San Miguel
von T.C. Boyle